Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
Steppen, aber mit dem Namen »Grüne Horden« konnte er nichts anfangen. Weil sie sich grün anmalten, mit Kreisen und Dreiecken und Schlangenlinien, nannte man sie »grün«? Das war beinahe lächerlich.
Er steckte den Speer, den er in der Hand hielt, vor sich in den aufgeweichten Boden.
Die drei, die ihn immer noch mit ihren Lanzen umstanden, schienen erst jetzt erstmals wieder Atem zu holen, so angespannt waren sie gewesen.
»Jedenfalls«, begann der Hauptmann zögerlich, denn dass er die Unterhaltung alleine bestreiten musste, schien ihn zu irritieren, »war es ein Missverständnis. Ein Fehler von uns. Wir hielten dich für einen Häuptling oder einen ihrer lebendigen Götzen. Deine Haare sind lang wie ihre, aber du bist größer und beritten. Wir sahen also, dass du etwas Besonderes bist. Womöglich gingen wir etwas zu ruppig vor. Ich könnte mich dafür entschuldigen, um deine Dienste zu gewinnen, aber du hast fünf meiner Männer erschlagen. Ich denke, wir dürften mindestens quitt sein.«
Er zögerte noch ein wenig, dann nickte er. Er schob seinen Säbel in den Gürtel zurück, ohne erst umständlich das Blut von ihm abzuwischen, und schwang sich zurück in den Sattel. Dann wartete er, wohin der Hauptmann sich nun wenden würde.
»Also: Werden wir uns einig?« Der Hauptmann war offensichtlich ein Mann der Worte, wenn schon alles gesagt war.
Er nickte.
Die flickwerkhaft Uniformierten halfen ihren beiden Kameraden beim Verrecken, bestatteten dann alle fünf in einem einzigen Loch und gingen voran in die Felsen. Er folgte ihnen auf seiner Fuchsstute.
Von ihren wankenden Speeren tropfte der unnachgiebiger werdende Regen.
Schon auf dem sich windenden Weg in die Höhe fielen ihm die vielen Leichen auf. Trotzdem die meisten bereits moderten und von Krähenschwärmen bis zur Unkenntlichkeit zerhackt waren, konnte man hier und da noch grüne Muster auf den schimmligen Häuten erkennen. Ganze Heerscharen mussten sich gegen die Burg geworfen haben. Und waren bislang gescheitert. Immerhin.
Die Position der Burg war nicht ungeschickt gewählt, auf der Spitze eines felsigen Hügels, der in drei von vier Richtungen steil abfiel und nur zum Tor hin über einen Passweg erreichbar war.
Die Burg selbst war alles andere als geräumig. Eher hoch und eng schraubte sie sich aus einem düsteren Hof in die Höhe, dem Regen entgegen. Der Hof war mit fleckigen Planen verhängt, um vor dem beständigen Prasseln Schutz zu bieten. Aus irgendeinem Grund, der dem Neuankömmling noch nicht ersichtlich war, schien den in Flicken Uniformierten das Betreten der Gebäude untersagt zu sein, sodass sie beständig im Matsch zu kauern hatten.
Der Name des Hauptmanns war Garifalks, seine Truppe nannte sich eine Heiligengarde, und der Heilige Kamilus eigenpersönlich war der Herr der Burg. Das erfuhr er alles vor Ort.
Die Männer hassten ihn unverzüglich. Er hatte fünf ihrer Kameraden getötet. Ihm war gleichgültig, was sie von ihm hielten. Sein Pferd wurde versorgt, ihm selbst drückte man als Erstes einen großen Fetzen Wildschweinbraten in die Hand. Er kaute und schaute sich um.
An die fünfzig Heiligengardisten lagerten im düsteren, von Feuern verräucherten Hof. Mehr waren von ihnen nicht übrig geblieben. Ein Junge, der sich Blernn nannte, erklärte ihm, dass nicht alle ordnungsgemäß gefallen waren. Einige waren auch desertiert. Und der Heilige sagte, diejenigen, die ihn im Stich ließen, würden auf brennenden Rädern aus Dornen enden. Der Heilige selbst jedoch ließ sich nirgends blicken. Dabei hatte der Neuankömmling noch nie einen leibhaftigen Heiligen zu Gesicht bekommen. Er stellte ihn sich sehr beeindruckend vor, wenn so viele Männer seinetwegen bereit waren, im Schlamm einer qualmigen Ummauerung zu verrotten.
Wann immer die Männer miteinander tuschelten und davon ausgingen, dass er sie nicht hören konnte, nannten sie ihn einen »Barbaren«. In diesem Wort schwangen zu gleichen Teilen Überheblichkeit und Ehrfurcht mit. Die Überheblichkeit von Männern, denen ihre weichleibigen Mütter Lesen und Schreiben beigebracht hatten, und die Ehrfurcht des gedungenen Ermüdeten vor einem noch frischen Krieger. Einer der Männer, ein grobschlächtiger Kerl namens Trezoi, nahm sich Frechheiten gegenüber dem Barbaren heraus. Einmal rempelte er ihn sogar unverhohlen an. Der Barbar beschloss, ihn zu ignorieren. Er hatte schon fünf von ihnen getötet. Jeder weitere konnte das übel riechende Regenwasserfass zum unnötigen
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