Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
Neuankömmling war sich nicht sicher, ob er es überhaupt so lange hier drinnen aushalten würde, bis die Grünen Horden endlich angriffen.
Zweimal schickte der Hauptmann jemanden zum Jagen hinaus, einen alten Mann mit dem Aussehen eines Wiesels, der mit neu verfertigten Pfeilen ausgerüstet hinausdurfte. Beide Male kam das Wiesel mit leeren Händen zurück. Als der Hauptmann ihn zum dritten Mal losschickte, stellte der Barbar sich den beiden in den Weg, nahm dem Wiesel den Bogen ab und ging selbst. Sowohl das Wiesel als auch der Hauptmann schienen erleichtert. Nur Trezoi machte wieder einen Spruch, in dem es darum ging, wie man Schweine nannte, die Schweine jagten.
Draußen rannte er. Der Regen machte den Passweg glitschig, aber er genoss die Freiheit, die unverbrauchte Luft, das Ausbleiben von Qualm und Gesang. Er tauchte in einen Wald und jagte, rennend, wie er das schon immer getan hatte. Er brauchte den Bogen nicht. Er fand Losung und folgte der Fährte. So spürte er eine Rotte Schwarzkittel auf. Der Wald wimmelte von solchen. Die Schweine stoben quiekend auseinander, doch er setzte ihnen nach, warf sich auf die massigste Bache und erstach sie mit seinem Säbel, während sie schnaufend unter ihm zu entkommen trachtete. Ein Säbel war eine unhandliche Waffe für ein solches Handwerk, früher hatte er ein Jagdmesser besessen, doch das hatte man ihm abgenommen, als man ihn gefangen nahm. Alle Städter waren Diebe. Sie waren nicht imstande, ihr Fleisch selbst zu jagen. Also nahmen sie es sich, gaben dafür wertlose Münzen und nannten das prahlerisch Tauschgeschäft.
Während er sich die Sau über die Schulter wuchtete, tauchten hinter ihm zwei Waldbewohner auf. Sie waren klein und ausgemergelt, ihre Geschlechtsteile waren in Röhrchen gesteckt und in hölzerner Verlängerung hochgebunden. Ihre Körper waren mit grünen Schlangen und Vögeln und Nestern verziert, aber ihre Gesichter waren unbemalt, faltig und unansehnlich. Sie trugen Äxte am Gürtel, hatten diese jedoch nicht feindselig erhoben. Mit hektischen, vogelartigen Ruckbewegungen betrachteten sie ihn, den riesenhaften Wilderer in ihrem angestammten Zuhause.
Er verhielt nur kurz, dann ging er zwischen den beiden hindurch, so langsam, dass sie ihm folgen konnten. Sie redeten mit ihm, in einer fremden, trillernden Sprache. Er verstand kein Wort. Aber er legte die Sau wieder ab, schnitt ihr zuerst den Kopf ab, dann ihre beiden Hinterbeine samt Schenkel, und ließ diese drei Teile den Waldbewohnern zurück. Jeder von ihnen nahm einen der Schenkel auf. Der Kopf des Wildschweins blieb liegen. Als wüchse er aus dem Moos. Das Gesicht eingefallen und schlaff, die Augen blicklos und matt, ähnelte es beinahe denen der Waldmänner.
Die beiden blieben zurück und trillerten auch nicht mehr. Unbehelligt konnte er den Weg zurück zur Burg suchen, den er vielleicht gar nicht mehr gefunden hätte, so sehr hatte ihn die Verfolgung der Rottenfährte kreuz und quer geführt, doch die Burg ragte hoch über den Wald auf. Man konnte sie weithin im Regen nebeln sehen, und was wie Nebel schien, waren Rauch und Hunger und falscher Gesang.
Als er zurückkehrte mit der toten Sau, brach Jubel aus. Niemand fragte nach dem fehlenden Kopf und den Beinen. Der Barbar schien einen Grund für sein Tun zu haben, vielleicht hatte er sich nur die Traglast verringern wollen.
Blernn gab an mit seiner Freundschaft zu dem Neuen. Hauptmann Garifalks lächelte still. Einzig Trezoi konnte sich Häme und Neid nicht verkneifen und verbreitete anzüglichen Unsinn darüber, warum der Barbar die Hinterbeine des toten Tieres hatte entfernen müssen. Der Barbar, wie immer, schwieg dazu, aber nachdem das Fleisch gebraten war, bekam er einen ebenso großen Anteil wie der Hauptmann, und Trezoi bekam deutlich weniger.
Am folgenden Tag ging Trezoi auf die Jagd. Er kehrte zurück mit leer geschossenem Köcher, aber einem weiteren Schwein. Seins war vollständig. Er höhnte und prahlte und stolzierte herum. Diesmal war sein Anteil größer als der des Barbaren. Die Männer stopften sich mit Fleisch voll, bis ihre Verdauung von den Wänden widerhallte.
Der Barbar blickte zu den vorhangverhüllten, leuchtenden Fenstern hinauf. Der Heilige ließ sich nirgends blicken. Aber konnten die Frauen riechen, wie sehr es im Hof stank? Ließen sie sich deshalb nie blicken? Aus Ekel? Vor den Männern, die bereit waren, für sie zu sterben?
Zwei weitere Tage und Nächte vergingen. Der Regen hatte erschöpft
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