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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Überlaufen bringen.
    Blernn schien daran interessiert zu sein, sich im Schutze des Barbaren eine bessere Position innerhalb der Hierarchie zu verschaffen. Der Neuankömmling beschloss, Blernns Ranschmeißerei genauso zu ignorieren wie Trezois dümmliche Provokationen.
    Er suchte sich ein Eckchen und legte sich schlafen. Niemand hinderte ihn daran. Die Männer sangen etwas, es klang hohl und schaurig. Der Gesang begleitete ihn bis in seine sinnlosen Träume.
    Jemand weckte ihn. Es war Hauptmann Garifalks. Ringsum herrschten Dunkelheit und Rauch.
    »Ich gehe raus, die Umgebung erkunden. Wenn du lernen willst, wie es hier überall aussieht, begleite mich.«
    Der Neuankömmling nickte und erhob sich. Blernn, der unweit gelagert hatte, wollte mitkommen, doch der Hauptmann befahl ihm, in der Burg zu bleiben.
    Sie gingen zu viert: Garifalks, der Neue und zwei ältliche, schlaksige Gardisten. Es regnete in Strömen, sämtliche Konturen verwischten zu wehenden Bewegungen. Selbst der Mond schien ein flatternder Fetzen Licht zu sein.
    »Über den Pass kommen sie nicht mehr«, erläuterte Garifalks dem Neuen. »Das haben sie am Anfang immer gemacht, als wir noch genügend Pfeile und Bolzen hatten, um sie auf die Entfernung niederzustrecken. Man konnte gar nicht danebenschießen, so viele von ihnen wimmelten heran. Und nachts sind wir dann raus, um die Bolzen wieder einzusammeln, sie aus den Leichen zu reißen wie Pilze. Irgendwann sind sie aber dahintergekommen. Lernen halt dazu, die Hunde. Wir sind nachts raus und fanden keine Bolzen mehr, und statt der Bolzen Fingerknochen. Zuerst sammelten wir die. Aus Langeweile. Aber seitdem geht es bergab. Sie kommen jetzt meistens von da.« Er deutete auf den rechter Hand der Burg liegenden Hang. »Wenn man tagsüber da runterschaut, kann man sehen, dass die Felsen beinahe eine treppenartige Struktur haben. Ob das den Erbauern der Burg einfach entgangen ist oder ob die Grünen Horden das erst im Laufe der Jahrzehnte selbst so angelegt haben, weiß ich nicht. Ich bin mit meinen Männern erst seit vier Monaten hier. Erst klingt gut. Mir kommt es vor, als wären es vier Jahre.«
    Er schwieg, als sie links und rechts des Passweges in die Tiefe schauten. Überall rührte sich abfließendes Wasser, aber nirgends war eine Bewegung auszumachen, die von einem Menschen stammen konnte. Unten wogte der Wald. Dunkles, regenmondiges Rauschen von Ewigkeit.
    »Wie das alles angefangen hat, willst du sicher wissen? Ich war nicht dabei. Aber man erzählt sich, der Heilige hat vier lebendige Götzen auf brennende Dornräder flechten lassen. Als Teil der Verheiligung der Wälder. Weißt du, was lebendige Götzen sind? So etwas wie die Heiligen der Grünen Horden. Herausragende Männer und Frauen. Weise. Krieger. Schönheiten. Ja, es gibt schöne Weiber da unten. Einmal griffen sie an. Es war ein Jammer, sie niedermachen zu müssen. Es soll auch schöne Weiber in der Burg geben. Aber die bleiben unter sich. Niemand bekommt sie zu Gesicht. Sie gehören dem Heiligen oder den Familien seiner Getreuen. Wir dürfen da nicht rein. Wir sind zu dreckig.« Er lachte bitter. »Aber der Sold ist nicht schlecht. Wir waren in einem Krieg gegen die Quallenmenschen, oben am Meer, bevor wir das Angebot erhielten, uns Heiligengarde zu nennen. Allein der Gestank dort oben … warst du schon mal dort? Das Meer ist wie eine Würgeschlange, die sich um alles herumwindet. Das Wasser sieht aus wie der Eiter von Aussätzigen. Diese Wälder dagegen, die sind richtig sauber. Und ruhig. Wenn halt gerade keiner aus ihnen hervorspringt, um dir mit seiner Axt den Schädel zu knacken.« Er öffnete seine Hosenverschnürung und pisste in die Tiefe. Durch den Wind verwehte der Strahl zu einer dunklen Zerstreuung. Der Barbar konnte die Furcht riechen, die dem Urin unabänderlich eingeschrieben war. Die Furcht eines Handlangers, der einen Krieg führte, der nicht der seine war, und der deshalb andauernd Übertretungen beging.
    »Die Jahreszeit war großartig, als wir hierherkamen. Das hat mich vielleicht ein bisschen geblendet. Alles war warm und grün und riesig. Ich weiß noch, wie ich dachte: Diese Wälder sind so unermesslich, wie wahrscheinlich ist es dann da, dass die Bewohner ausgerechnet immer wieder diese eine unwichtige Burg angreifen? Sie können doch auch einfach darum herumgehen. Sie können sie vergessen, einfach vergessen. Aber das Rädern ihrer Heiligen können sie wohl nicht vergessen. Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Was

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