Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
nachgelassen. Im Hof jedoch tropfte noch alles von Erkern und ungeschlachten Wasserspeiern.
Die Gardisten, die vorher wie vom Regen niedergedrückt gewesen waren, trumpften jetzt auf. Einige phantasierten davon, den Spieß umzudrehen, einen Ausfall zu machen und den »Grünen Teufeln« ein für alle Mal »beizubringen, wer hier das Sagen hat«. Hauptmann Garifalks wehrte solche Träume mit guten Argumenten ab. Man konnte keinen Ausfall in die Wälder machen. Die Wälder waren überall um sie herum. Es gab kein eindeutiges Ziel, nur bevorstehende Verirrung. Das einzige eindeutige Ziel weit und breit war diese Burg.
Der Barbar begann sich zu fragen, weshalb er hier war. Es passierte nichts. Er konnte hinausgehen und mehr erleben. Würden sie ihn dann schon als Deserteur verfolgen? Aber er trug nicht ihre Flicken und war nie offiziell zu irgendetwas verpflichtet worden.
Er begann sich nach Weite zu sehnen. Die sich überschätzenden Männer um ihn herum störten ihn. Der Heilige ließ sich nirgends blicken.
Der Heilige, um dessentwillen diese Burg hier stand, als steiniger Fremdkörper inmitten von Grün.
Er beobachtete weiterhin die Fenster. Und als niemand hinsah, nahm er sich ein Seil, dessen Länge ihm ausreichend schien, und einen Enterhaken aus den Ausrüstungskisten und verbarg beides an seiner Schlafstätte.
»Sie werden bald angreifen«, raunte Blernn ihm gegen Abend zu. »Sie halten nie länger als eine Woche Ruhe. Heute Nacht, morgen oder spätestens übermorgen kommen sie.«
In der Nacht ließ der Barbar sich wieder auf die Zinnen rufen. Der Wald rauschte in stürmigen Wogen wie ein krauses Meer. Der Mond war jetzt vertrocknet, sah nach bleicher Wüste aus, so ohne Regen.
Der folgende Tag blieb ereignislos. Das Prahlen der Männer wurde lauter, dann jammerten sie, ebenfalls laut. Einer weinte sogar und zitterte, als befürchtete er seinen bevorstehenden Tod.
Der Barbar beobachtete das. Er sah keinen Sinn darin, den Tod zu fürchten. Früher oder später würde er einen ohnehin mit sich reißen, und für manche war es besser, der Tod kam früher als zu spät.
Gegen Abend perlte wieder Musik aus einem der hochgelegenen Gemächer. Die Männer verstummten, lauschten versonnen und sehnten sich. Einer, ein anderer diesmal, fing wieder an zu weinen. Daraufhin verstummte die Musik, und die anderen Männer bedachten den Weinenden mit Verwünschungen.
In dieser Nacht verschwand der Mond hinter dichten Wolken.
»Jetzt kommen sie bald«, zischte Blernn. »Wenn es so dunkel ist wie jetzt, können sie sich bis an die Mauern heranpirschen. Und dann geht es los, mit gekerbten Stangen, an denen sie hochsteigen. Oder mit Schlingpflanzen, die sie hochwerfen, die an den Zinnen hängen bleiben, und daran klettern sie dann zu uns rauf.«
Der Barbar hielt es nicht aus, untätig im Hof zu warten. Der Hauptmann hatte ihn zwar nicht für die Zinnen eingeteilt, aber er begab sich auf eigene Faust empor. Niemand wies ihn zurecht oder hielt ihn zurück. Niemand außer Trezoi. »Verschwinde!«, herrschte Trezoi ihn an. »Pack dich schlafen! Oder besser noch: Hau ab aus unserer Burg und tummele dich mit deinen Freunden aus dem Wald.«
Er ignorierte ihn, schaute hinab auf die sich bauschende Dunkelheit. Überall sah er Bewegung, oder nirgends. Blernn hatte recht. Diese Nacht war ideal, um vorzurücken.
»Hörst du nicht?«, keifte Trezoi. »Bist du nicht nur stumm, sondern auch taub? Oder einfach nur schwer von Begriff? Du hast hier nichts zu suchen! Das ist unsere Burg.«
Er maß Trezoi mit einem Blick, dann verließ er die Zinnen über eine nach innen führende Treppe. Trezoi jedoch blieb an ihm dran, folgte ihm die Treppe hinab. Der Achselschweiß des Gardisten roch beißend, seine Körpersprache war auf einen Kampf, eine endgültige Klarstellung aus. »Denkst du, ich habe nicht mitbekommen, dass du ein Auge auf die Damen geworfen hast? Denkst du, das ist nicht offensichtlich? Du bist keinen Deut besser als die Horden. Du willst dir nehmen, was dir gefällt, ist es nicht so? Während wir anderen um die Burg kämpfen, wirst du …« Weiter kam er nicht. Der Barbar hatte ihn durchbohrt, mit einer Bewegung, die so schnell gewesen war, dass Trezoi sie überhaupt nicht hatte kommen sehen. Der Barbar hatte die Klinge von unten, vom Bauchnabel her aufwärts eingeführt, und nun hob er den Säbel samt dem darauf gespießten Trezoi an und trug ihn die letzten Stufen hinab zum zentralen Lagerfeuer. Trezoi lebte noch, er trat und
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