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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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klapperten im eisrauen Wind. Der Drache stieg immer noch höher, die Berge kippten nach links, dann nach rechts, ihre Gipfel entzaubert, abgeflachte Trittsteine nun dem Blick des Raubvogels. Tatsächlich schwebte dort drüben einer, ein Adler wahrscheinlich, ohne die Flügel zu schlagen, segelte im Wind. Und wunderte sich?
    Der Barbar begann, dem Drachen den Hals zuzudrücken, damit er wieder tiefer ging. In allzu großer Höhe hatte nämlich er selbst das Gefühl, dass ihm die Luft wegblieb. Was wahrscheinlich am Fliegen lag. Oder an der Höhe.
    Das Würgen klappte. Es lenkte sich ruppiger als ein Pferd, und man brauchte die Hände am Hals auch zum Festhalten, aber immerhin.
    Der See glitt näher. Dieses Wasser hatte die Farbe von Gletscherhöhleneis. Allein es zu sehen, machte schon durstig. Der Barbar war noch weit unter den Wolken, aber er hatte das Gefühl, eine Ahnung davon zu bekommen, wie die weißen Majestäten schmeckten.
    Er lachte.
    Das war eine Regung, die auch durch den Schwindel ausgelöst wurde, durch das flappende Auf und Ab in seinem Magen, ein Widerhall des Schlagens der Drachenschwingen.
    Der Barbar überlegte. Der See war vielleicht seine einzige Chance, einigermaßen weich zu landen. Falls der Drache mit ihm über Festland oder Gebirge abstürzte, wäre ihrer beider Schicksal besiegelt. Und dass er den Drachen irgendwo zu einer kontrollierten Landung zwingen konnte, erschien ihm zu sehr als Träumerei. Sein Schädel pochte noch von all den vielen Gedanken, die sich heute in ihm geformt hatten als Ergebnis von Hieben und Wunden und Höhe und Flug.
    Unter ihnen glitzerte jetzt das türkise Wasser. Der See hauchte zu ihnen empor, noch kühler und frischer als die Luft ohnehin. Der Barbar nahm seinen Unterarm als Kante, riss den Schädel des Drachen ruckartig nach hinten und brach ihm das Genick. Die Flügel flappten noch viermal, dann erschlaffte der ganze ledrige Leib. Drache und Mensch gingen in freien Fall über. Der Magen des Menschen stieg hoch in den Mund, verblieb dort aber als bitterer Anflug.
    Er krallte sich fest. Seine eigenen Haare peitschten ihm ins Gesicht. Die Kälte mischte sich mit Schweiß. Der Drache begann zu trudeln, drehte sich um mehrere Achsen. Abwärts. Immer weiter abwärts. Das Türkis kam näher wie ein strahlend poliertes Ornament. Unbedingt musste der Barbar über dem Drachen landen, das Wasser aus dieser Höhe würde hart sein wie Granit, der Leib des Drachen musste die Wucht abfangen, aber er war viel zu groß und schwer und klobig, als dass der Barbar ihn hätte drehen und wenden und unter sich halten können, also musste er selbst klettern und krauchen, um oben zu bleiben, immer oben, während die Welt um ihn herum zu ihm heraufraste, die Berge wieder Fänge wurden, die Wolken wieder fern und fremd, Bäume sich herausschälten wie die Stacheln eines Igels. Felsen bekamen Zacken und Risse, Gras wuchs auf wie Wundbrand.
    Das Lachen des Barbaren wurde eingesogen vom Rauschen des Fallwinds.
    Das Wasser. In das Rauschen der Luft hinein: der Aufprall. Wie ein Knall, auch im Inneren der Ohren.
    Der Drachenleib zerfetzt schier. Der Barbar, auf ihm drauf, durchgerüttelt wie unter einem Hammerschlag. Weiß spritzt der See in die Höhe. Der Drache sinkt. Der Barbar mit ihm. Das Wasser stürzt in sich zurück. Die Fluten, immer noch weiß geschäumt, aber nun auch rot durchmischt, schlagen über ihm zusammen. Stille beinahe, nur Gurgeln und Blubbern. Blaugrüne Schwere.
    Fische.
    Ein Schwarm.
    Schauen mit erschrockenen Augen. Bunt schlagen sie aus, schillern fremdartig. Der Barbar sinkt, die Arme erhoben, inmitten des Schwarms nach unten, seine Haare wiegen sich aufwärts wie im Schlangentanz. Die Fische kreisen um ihn herum, wenden dann, kreisen in Gegenrichtung zurück, wenden erneut im farbenändernden Takt ihrer Schwanzflossen.
    Er scheint zu erwachen. Blasen steigen ihm aus Mund und Nase. Eine Feder tanzt in seinem Haar.
    Das grüne Blau ist um ihn herum, kühlt ihn, umfängt ihn mit sanftem Druck. Rote Schlieren. Der Kadaver des Drachen sinkt unter ihm tiefer, umgarnt von seinen eigenen Blutwirbeln.
    Er sieht die Sonne, über sich. Von den Wellen verzerrt zu einem flatternden Banner. Er streckt eine Hand nach ihr, kann sie beinahe greifen.
    Seine Füße schlagen aus.
    Der Schwarm bleibt unter ihm zurück.
    Die Oberfläche ist weich, als gäbe es sie nicht.
    Die Oberfläche ist vielleicht nichts weiter als eine Illusion.

STöReN
     
    Seine Hand legte sich über die

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