Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
Verzögerung auf der Haut. Er hatte mal gesehen, wie jemand ein Essen flambierte, blau blakend und flach. Genauso. Genauso.
Er stemmte sich dagegen, aber der Drache tat etwas, das der Barbar bei seinen Feinden nicht gewöhnt war: Er hob ihn an, ließ ihn den Boden unter den Füßen verlieren und somit alles, gegen das er sich auflehnen konnte! Der Felsboden entkam. Der Drache hielt den Barbaren gepackt, eine Klaue um den rechten Schenkel, die andere in den Bereich der linken unteren Rippen gegraben, und erhob sich mit ihm flatternd in die Lüfte. Der Barbar wehrte sich, trat um sich, schlug mit dem Schwert zu, doch dann verlor er auch noch dieses, als der Drache sich darin verbiss und es ihm einfach mit einem mörderischen Ruck aus der Hand zerrte. Hilflos musste der Barbar mit ansehen, wie der Drache die Klinge ausspuckte und sie zu Boden trudelte, drei, vier, fünf, sieben Mann hoch. Klirrend schlug sie auf. Das Nest von oben, der Junge darin, zitternd, kampfunfähig, der Sohn eines Händlers eben, kein richtiger Jungmann, alles entfernte sich, der Haufen liegen gelassenen Plünderguts, alles weg, selbst das Schwert. Der Barbar, der Beute hatte machen wollen, besaß jetzt noch weniger als vorher. Der Mantel zerschlissen, das Schwert entfallen.
Alles, alles für nichts.
Er mühte sich und bäumte sich auf und biss den Drachen in die ledrige Haut. Das Ungeheuer stieg höher und höher, jeder Ruck der Flügel ein schmerzhafter Stoß tief im Magen des Menschen, der beinahe kotzen musste, so schwindelerregend war das In-die-Höhe-getrieben-Werden. Der Drache würde ihn einfach loslassen, und er würde in die Tiefe rotieren wie das Schwert. Aber nicht mit einem Klirren aufschlagen, sondern mit einem berstenden Klatschen.
Höher und höher ging es, aus den Nüstern des Untiers drang beißender Rauch. Er kraulte hinauf in den Himmel, in dem Wolken sich bauschten wie mildernde Baumwolle, und dennoch erschien alles hart, der Wind zerrte hart, die Höhe war hart, die Tiefe, der ferne Boden, das Blau oben, die Krallen im Bauchfleisch.
Und tatsächlich: In etwa vierzig, fünfzig Mannslängen Höhe ließ der Drache einfach los.
Der Barbar aber nicht.
Er rutschte nur kurz, die Krallen glitten aus seinem Bauch, als nähmen sie die Eingeweide mit, aber das war wieder nur eine Übertreibung der überlasteten Sinne. Er klammerte sich an einem der Beine fest.
Der Drache schrie irritiert und hackte nach ihm mit seinem Kopf, sich ganz einwärts rollend, den Schnabel bis zum Fuß gestreckt. Der Barbar griff um und packte nun mit einer Hand den Schnabel. Der Drache zog sich auseinander, und der Barbar musste sich für Fuß oder Schnabel entscheiden. Er entschied sich für oben, in dieser Höhe immer für oben. Desto mehr Möglichkeiten gab es, einen Absturz zu vermeiden.
Der Drache zog ihn an sich entlang aufwärts, denn der Barbar hing nun schlenkernd an seinem Maul, sich mit den Füßen sogar erst noch abstützend auf einem der Flügel, dann mit den Beinen den dünnen Hals umklammernd. Er mühte sich in den Rücken des Tieres. Dort war er sicher vor Fußkrallen, Schnabel und Flügeln. Er ritt nun auf dem Drachen. Der Flugwind in dieser Höhe des Gebirges prasselte wie Hagel gegen ihn.
Der Drache schüttelte sich, wollte das unangenehme Gewicht wieder los sein, konnte aber nicht aufhören zu fliegen, wollte er nicht abstürzen. Die beiden gischteten ineinander verkeilt über die Kante des Nagelwaldplateaus. Dahinter ging es weit hinab, die Tiefe rauschte empor wie ein Orkan. Voraus in einiger Entfernung glitzerte ein klarer Bergsee, riesig, schön wie ein Edelstein, ein einziges großes Segelschiff kreuzte darauf mit abendrotfarbenen Segeln.
Der Barbar riss staunend die Augen auf. Noch nie hatte er die Welt so gesehen. Als Spielzeug unbeherrschter Gottheiten. Wer so flog, konnte sich tatsächlich alles nehmen, wonach ihn verlangte. Er wollte für immer so fliegen. Aber nicht auf einem stinkenden Tier, das ihn zu zerbeißen oder zu zerschmettern trachtete.
Er wollte selbst so fliegen können.
Vielleicht würde eines Tages ein Mensch so etwas fertigbringen.
Ein starker Mensch. Einer, der sich nicht unterkriegen ließ. Ein Überwinder wie er.
Der Drache schüttelte sich, versuchte, das ungewohnte Gewicht auf seinem Rücken von sich zu schleudern. Es war ihm wohl lieber, wenn er Knaben in den Klauen hielt, als wenn Erwachsene ihm den Hals zuschnürten. Das Gesicht des Barbaren war zu einem Grinsen verzerrt. Seine Zähne
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