Barbarossa, Botticelli und die Beatles
644
Als Mohammed 632 in Medina stirbt, hinterlässt er weder eine Nachfolgeregelung noch einen männlichen Erben. Die muslimischen Führer wählen nun Abu Bakr, einen Schwiegervater und Vertrauten Mohammeds, zu seinem Nachfolger. Dieser nennt sich chalifat rasul Allah : »Nachfolger des Gesandten Gottes«. Der Titel des Kalifen ist geboren.
Unter dem zweiten Kalifen Umar ibn al-Chattab (Omar) beginnt ab 634 die Ausbreitung des Islam. Umar, ein Kaufmann und Krieger aus angesehener Familie, ist zunächst ein erbitterter Feind der Muslime, wird aber 618 von seiner Schwester bekehrt und zu einem langjährigen Gefährten Mohammeds. Als Vertrauter des ersten Kalifen Abu Bakr folgt er diesem nach.
Schon zu Beginn von Umars Kalifat fallen fast zeitgleich arabische Armeen in Palästina, Ägypten und das Gebiet des heutigen Irak ein. In der entscheidenden Schlacht am Jarmuk in Jordanien im Jahr 636 besiegen sie die Truppen des Byzantinischen Reiches, erobern Syrien und beenden den christlich-römischen Einfluss im Nahen Osten. 638 erobert Umar Jerusalem, wo Mohammed auf einem Pferd seine Reise in den Himmel angetreten haben soll. Der Kalif Abd al-Malik lässt dort wenige Jahre später den Felsendom errichten und macht Jerusalem nach Mekka und Medina zum dritten wichtigen Heiligtum des Islam.
Im Jahr 642 lässt Umar in Alexandria die Verbrennung aller Schriften anordnen, die dem Koran angeblich widersprechen. Es ist der endgültige Todesstoß für die einst bedeutendste Bibliothek der Menschheit. Auf dem Zenit seiner Macht, auch weite Teile Persiens sind erobert, wird Umar 644 von einem persischen Sklaven ermordet.
Seine Nachfolger erobern Nordafrika und islamisieren auch die nordafrikanischen Berber und die schwarzafrikanischen Mauretanier (Mauren). Der muslimische Berber-Heerführer Tariq ibn Ziyad fällt mit Berber- und Maurentruppen zu Beginn des 8. Jahrhunderts in Spanien ein und vernichtet das Reich der Westgoten. Nun herrscht der Islam in einem Gebiet, das sich von Zentralasien bis nach Spanien erstreckt. Politisch sehr heterogen, da es sich in mehrere Staaten unterteilt, bleibt es durch die arabische Sprache, die auch die Sprache des Koran ist, in der jeder Muslim die Heilige Schrift lesen und zitieren können muss, kulturell vergleichsweise homogen.
Karl der Große und die Einheit des christlichen Europa
Karl der Große lebt von 747 bis 814
Die Franken stellen sich dem Ansturm des Islam entgegen. Fünfzehn Jahre vor der Geburt Karls gelingt es seinem Großvater Karl Martell 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers, den Vormarsch der vordringenden muslimischen Arabertruppen zu stoppen. Karl Martell ist kein Fürst, sondern Hausmeier, und damit der eigentlich mächtigste Mann im Frankenreich, der das wichtigste Amt am Hofe bekleidet, über dem nur noch die Königswürde als höchster erreichbarer weltlicher Titel steht. Sein Sohn Pippin III. lässt sich daher auch zum König der Franken krönen. Ihm folgt Karl im Jahr 768 gemeinsam mit dem jüngeren Bruder Karlmann.
Als Karlmann 771 stirbt, wird Karl zunächst Alleinherrscher. Er sichert seine Reichsgrenze im Südwesten gegen die Araber, und wie sein Ahnherr Chlodwig kommt er dem Papst in Rom zu Hilfe. Karl besiegt die Langobarden, nennt sich ab 774 auch deren König, übernimmt die Schutzherrschaft über den Kirchenstaat und dehnt seine Macht auf nahezu ganz Italien aus.
In blutigen Feldzügen verleibt Karl dem Reich im Osten das Gebiet der heidnischen Sachsen ein und lässt 782 beim sogenannten Blutgericht in Verden einen großen Teil des sächsischen Adels enthaupten. Es sollen über 4500 Männer gewesen sein. 788 wird Bayern ins karolingische Reich eingegliedert.
In der Zeit Karls entsteht in Mitteleuropa, vor allem aber im Frankenreich aus altem germanischen Gefolgschafts- und tradiertem römischen Klienteldenken der Feudalismus: Karl vergibt Lehen und Güter an treue Gefolgsleute und an die Kirche und nimmt sie in die Verwaltungspflicht, um seine Macht zu festigen. Begünstigt wird die schnelle Ausbreitung dieses Feudalsystems von der politischen Schwächung der Städte während der Völkerwanderung und von Heerführerinteressen, die ihre Gefolgschaft binden müssen.
Im Jahr 800 lässt Karl sich von Papst Leo III. zum Kaiser krönen. Sein Großvater war Hausmeier gewesen, der Vater König. Karl ist Kaiser. Er steht auf dem Höhepunkt seiner Macht. In einem Gebiet, das einst zum Weströmischen Reich gehörte, begründet er das Gegengewicht zum
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