Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
Vom Netzwerk:
das sind zwei Karavellen!«
»Halten Sie den Mund, Sie Ferkel, oder ich rufe auf der Stelle den Geschäftsführer«, zischte eine Stimme zwei Reihen hinter uns. »Unerhört, so ein schamloser Kerl. Was für ein Land von Schweinen.«
»Sie sprechen besser leiser, Fermín«, riet ich.
Fermín Romero de Torres hörte mich nicht. Er war dem sanften Wogen dieses mirakulösen Ausschnitts verfallen, mit verzücktem Lächeln und technicolorbesprenkelten Augen. Als wir später durch den Paseo de Gracia zurückspazierten, stellte ich fest, daß unser bibliographischer Detektiv immer noch wie in Trance war.
»Ich glaube, wir werden Ihnen eine Frau suchen müssen«, sagte ich. »Eine Frau wird Ihr Leben verschönern, Sie werden schon sehen.«
Fermín Romero de Torres seufzte, sein Geist spulte noch einmal die Wonnen des Wogens ab.
»Reden Sie aus Erfahrung, Daniel?« fragte er unschuldig.
Ich lächelte nur, weil ich wußte, daß mich mein Vater schräg ansah.
Nach diesem Tag ging Fermín Romero de Torres mit Vergnügen jeden Sonntag mit mir ins Kino. Mein Vater blieb lieber zu Hause, um zu lesen, aber Fermín ließ keine Vorstellung aus. Er kaufte einen Berg Schokoladenplätzchen und setzte sich in Reihe siebzehn, um sie zu verschlingen und auf den Starauftritt der jeweiligen Diva zu warten. Der Plot war ihm vollkommen egal, und er sprach unablässig, bis eine Dame mit ansehnlichen Attributen die Leinwand ausfüllte.
»Ich habe darüber nachgedacht, was Sie neulich gesagt haben, von wegen eine Frau für mich suchen«, sagte er. »Vielleicht haben Sie recht. In der Pension gibt es einen neuen Mieter, einen ehemaligen Absolventen des Priesterseminars in Sevilla, sehr geistreich, und der bringt ab und zu imponierende Bienen mit nach Hause. Unglaublich, wie sich die Sippe verbessert hat. Ich weiß auch nicht, wie er es anstellt, denn viel macht der Junge nicht her, aber womöglich betäubt er sie mit Vaterunsern. Da sein Zimmer gleich nebenan liegt, höre ich alles, und nach dem zu schließen, was man mitkriegt, muß der Mönch ein Künstler sein. Was doch eine Uniform ausmacht. Wie gefallen denn Ihnen die Frauen, Daniel?«
»Ich verstehe nicht viel von Frauen, ehrlich gesagt.«
»Wirklich verstehen tut keiner was, nicht einmal Freud, nicht einmal sie selber, aber das ist wie bei der Elektrizität, man braucht nicht zu wissen, wie sie funktioniert, um eine gewischt zu kriegen. Na los, erzählen Sie schon. Wie gefallen sie Ihnen denn? Es sei mir verziehen, aber für mich muß eine Frau die Figur eines Vollblutweibes haben, damit man etwas zwischen die Finger kriegt, aber Sie sehen aus, als gefielen Ihnen die Mageren, und das ist ein Gesichtspunkt, den ich durchaus respektiere, nicht wahr, verstehen Sie mich nicht falsch.«
»Wenn ich aufrichtig sein soll, habe ich nicht viel Erfahrung mit Frauen. Eigentlich gar keine.«
Fermín Romero de Torres schaute mich aufmerksam an, neugierig geworden angesichts dieser Offenbarung von Askese.
»Ich dachte, die Geschichte in jener Nacht, Sie wissen schon, der Keulenschlag …«
»Wenn alles so schmerzte wie eine Ohrfeige …«
Fermín schien meine Gedanken zu lesen und lächelte solidarisch.
»Schauen Sie, ich will Sie nicht kränken, aber das Beste an den Frauen ist, sie zu entdecken. Nichts ist wie das erste Mal. Man weiß nicht, was das Leben ist, bis man zum ersten Mal eine Frau auszieht. Knopf um Knopf, als schälten Sie in einer Winternacht eine siedend heiße Kartoffel. Ahhh …«
Wenige Sekunden später erschien Veronica Lake auf der Bildfläche, und Fermín geriet in eine andere Dimension. In einer Sequenz, wo sie Pause hatte, kündigte er an, er werde dem Stand mit Naschereien in der Eingangshalle einen Besuch abstatten, um seine Bestände aufzufüllen. Nach Monaten des Hungerleidens hatte mein Freund jeden Sinn fürs Maß verloren, doch da er ein guter Verbrenner war, schaffte er es trotzdem nicht, seine ausgemergelte Figur loszuwerden. Ich blieb allein, verfolgte das Geschehen auf der Leinwand aber kaum. Ich würde lügen, wenn ich sagte, ich hätte an Clara gedacht. Ich dachte nur an ihren Körper, der unter den Stößen des Musiklehrers zitterte und vor Schweiß und Lust glänzte. Mein Blick glitt von der Leinwand ab, und erst jetzt bemerkte ich den Zuschauer, der eben hereingekommen war. Ich sah seine Silhouette zur Mitte des Parketts gehen, sechs Reihen weiter vorn, und dort Platz nehmen. Die Kinos sind voll von einsamen Menschen, dachte ich. Wie ich.
Ich versuchte, mich zu

Weitere Kostenlose Bücher