Barcelona 01 - Der Schatten des Windes
Möbel rein, weil sie dauernd ins Glas gucke. Mir muß man ja nichts erzählen. Immer hatte er Streit mit allen Nachbarn. Meinen verstorbenen Mann selig hat er einmal angezeigt, er hätte in seinem Laden etwas gestohlen – in seinen Augen waren alle Leute aus Murcia Herumtreiber und Diebe, dabei kommen wir aus Ubeda…«
»Haben Sie gesagt, Sie erkennen das Mädchen neben Julián auf dem Foto?«
Sie konzentrierte sich wieder auf das Bild.
»Ich habe sie nie gesehen. Sehr hübsch.«
»Wenn man sie so sieht, schaut es aus, als wären sie ein Paar«, regte ich an, um ihrem Gedächtnis einen Stoß zu geben.
Mit einem Kopfschütteln reichte sie mir das Foto wieder.
»Von Fotos habe ich keine Ahnung. Und soviel ich weiß, hatte Julián keine Freundin, aber ich stelle mir vor, wenn er eine gehabt hätte, hätte er es mir nicht gesagt. Ich habe ja nur mit Mühe und Not erfahren, daß Isabelita sich mit diesem Dings eingelassen hat … Ihr jungen Leute erzählt ja nie was. Wir Alten sind es, die in einem fort schwatzen.«
»Können Sie sich an seine Freunde erinnern oder an eine bestimmte Person, die hierherkam?«
Sie zuckte die Schultern.
»Oh, das ist schon so lange her. Zudem ist Julián in den letzten Jahren nur noch wenig hier gewesen, wissen Sie. Er hatte sich mit einem Schulkameraden angefreundet, einem Jungen aus sehr guter Familie, den Aldayas, mehr brauche ich nicht zu sagen. Jetzt redet keiner mehr von ihnen, aber damals war es, als hätte man die königliche Familie gesagt. Viel Geld. Ich weiß es, weil sie manchmal ein Auto geschickt haben, um Julián abzuholen. Sie hätten sehen sollen, was für ein Auto. So eins hat nicht mal Franco. Mit Fahrer, alles glitzernd. Unglaublich.«
»Wissen Sie noch den Namen dieses Freundes von Julián?«
»Schauen Sie, mit einem Nachnamen wie Aldaya, da braucht es keine weiteren Namen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich erinnere mich auch an einen andern Jungen, etwas leichtsinnig, ein gewisser Miquel. Ich glaube, der war auch ein Klassenkamerad von ihm. Fragen Sie mich nicht, wie er noch geheißen hat oder was für ein Gesicht er hatte.«
Wir schienen an einem toten Punkt angekommen zu sein, und ich fürchtete, das Interesse der Pförtnerin könnte langsam schwinden. Da beschloß ich, einem plötzlichen Einfall nachzugeben.
»Wohnt denn jetzt jemand in der Wohnung der Fortunys?«
»Nein. Der Alte ist gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen, und die Frau ist noch in Buenos Aires, soviel ich weiß, und sie ist nicht einmal zur Beerdigung hergekommen.«
»Warum denn in Buenos Aires?«
»Weil sie keinen Ort gefunden hat, der weiter entfernt war von ihm, wenn Sie mich fragen. Ich gebe ihr ehrlich keine Schuld. Sie hat alles einem Anwalt überlassen, einem merkwürdigen Typ. Ich habe ihn nie gesehen, aber meine Tochter Isabelita, die im Fünften erste Tür wohnt, genau darunter, die sagt, manchmal kommt er abends, da er einen Schlüssel hat, und spaziert stundenlang in der Wohnung auf und ab, und dann geht er wieder. Einmal hat sie sogar gesagt, man habe so was wie Frauenabsätze gehört. Was sagen Sie dazu?«
»Vielleicht waren es Stelzen.«
Sie schaute mich verständnislos an. Offensichtlich war das für die Pförtnerin ein sehr ernstes Thema.
»Und in diesen ganzen Jahren hat niemand sonst die Wohnung besucht?«
»Einmal ist ein ganz unheimlicher Kerl hier vorstellig geworden, einer von denen, die ständig grinsen, aber man durchschaut sie gleich. Er hat gesagt, er ist von der Kripo, und wollte die Wohnung sehen.«
»Hat er gesagt, warum?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wissen Sie noch seinen Namen?«
»Inspektor irgendwas. Ich habe ihm nicht geglaubt, daß er Polizist ist. Die Sache hat gestunken, Sie verstehen schon. Nach irgendwas Persönlichem. Ich hab ihn an die Luft gesetzt und ihm gesagt, ich habe die Wohnungsschlüssel nicht und wenn er was will, soll er den Anwalt anrufen. Er sagte, er würde wiederkommen, aber ich hab ihn nicht mehr gesehen. Und auch keine Lust darauf.«
»Sie hätten nicht zufällig den Namen und die Adresse dieses Anwalts, oder?«
»Danach müßten Sie sich beim Liegenschaftenverwalter erkundigen, bei Señor Molins. Er hat sein Büro hier in der Nähe, in der Floridablanca 28, Hochparterre. Sagen Sie ihm, Sie kommen von Señora Aurora, zu dienen.« »Haben Sie vielen Dank. Und sagen Sie, Señora Aurora, dann ist also die Wohnung der Fortunys leer?«
»Leer nicht, da hat nie jemand was mitgenommen in all den Jahren, seit der Alte gestorben
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