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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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bei dieser Frau, bei ihr zu Hause«, murmelte ich.
Fermín schaute mich perplex an.
»Bei Nuria Monfort? Langsam denke ich, ich habe mich in Ihnen geirrt, Daniel. Sie sind ja ein echter Verführer.«
»Nicht, was Sie denken.«
»Selber schuld. In Ihrem Alter habe ich es gehalten wie El Molino – je eine Vorstellung am Vormittag, am Nachmittag und am Abend.«
Ich schaute dieses dürre Knochenmännchen an, ganz Nase und gelblicher Teint, und merkte, daß er dabei war, mein bester Freund zu werden.
»Darf ich Ihnen etwas erzählen, Fermín? Etwas, was mir schon seit langem im Kopf rumgeht.«
»Klar doch. Alles. Besonders wenn es schlüpfrig ist und dieses Mägdlein betrifft.«
Zum zweiten Mal an diesem Abend erzählte ich die Geschichte von Julián Carax und seinem rätselhaften Tod. Fermín hörte mit größter Aufmerksamkeit zu, machte sich Notizen in ein Heft und unterbrach mich gelegentlich, um nach irgendeinem Detail zu fragen, dessen Bedeutung mir entgangen war. Als ich mir so selber zuhörte, wurden mir die Lücken in dieser Geschichte immer deutlicher. Mehr als einmal wußte ich nicht mehr weiter, verirrten sich meine Gedanken beim Versuch, herauszufinden, warum mich Nuria Monfort belogen hatte. Was bedeutete der Umstand, daß sie jahrelang die Korrespondenz für ein nicht existierendes Anwaltsbüro abgeholt hatte, das sich angeblich um die Familie Fortuny-Carax in der Ronda de San Antonio kümmerte? Ich merkte nicht, daß ich meine Zweifel laut formuliert hatte.
»Wir können noch nicht wissen, warum diese Frau Sie belogen hat«, sagte Fermín, »aber wir können die Vermutung wagen, daß sie, wenn sie es in dieser Hinsicht getan hat, es auch in anderer Hinsicht tun konnte und wahrscheinlich getan hat.«
Ich seufzte verwirrt.
»Was schlagen Sie vor?«
Fermín Romero de Torres machte eine hochphilosophische Gebärde.
»Ich werde Ihnen sagen, was wir tun können. Wenn Sie einverstanden sind, schauen wir diesen Sonntag mal so ganz zufällig bei der San-Gabriel-Schule vorbei und versuchen etwas rauszufinden über die Anfänge der Freundschaft zwischen diesem Carax und dem andern Jungen, dem Geldsack …«
»Aldaya.«
»Im Umgang mit Geistlichen bin ich sehr gewandt, Sie werden schon sehen, und sei es nur, weil ich wie ein schlitzohriger Kartäuser aussehe. Ein paar Schmeicheleien, und ich stecke sie allesamt in die Tasche.«
»Und das heißt?«
»Mann! Ich garantiere Ihnen, die werden singen wie der Knabenchor von Montserrat.«
9
    Den Samstag verbrachte ich wie in Trance, fest verankert hinter dem Ladentisch und in der Hoffnung, Bea komme unversehens zur Tür herein. Jedesmal wenn das Telefon klingelte, stürzte ich mich darauf und riß meinem Vater oder Fermín den Hörer aus den Händen. Gegen Abend, nach zwanzig Kundenanrufen und ohne Nachricht von Bea, fand ich mich allmählich damit ab, daß die Welt und mein gerade so hoffnungsvoll begonnenes Leben an ihr Ende gelangten. Mein Vater war nach San Gervasio gefahren, um eine Sammlung zu schätzen, und Fermín nutzte die Gelegenheit, um mir eine weitere seiner erfahrungsgesättigten Lektionen über die Geheimnisse der Liebesverstrickungen zu geben.
    »Beruhigen Sie sich, oder Sie kriegen Nierensteine«, riet er.
»Mit dem Liebeswerben ist es wie mit dem Tango: absurd und nichts als Fiorituren. Aber Sie sind der Mann, und als solcher müssen Sie die Initiative ergreifen.«
Das begann ja schon unheilvoll.
»Die Initiative? Ich?«
»Was wollen Sie – im Stehen pissen zu können hat eben seinen Preis.«
»Aber Bea hat doch durchblicken lassen, daß sie sich melden wird.«
»Wie wenig Sie von Frauen verstehen, Daniel. Ich wette mein Weihnachtsgeld drauf, daß dieses niedliche Mädchen jetzt zu Hause sitzt und wie die Kameliendame zum Fenster hinausschmachtet, daß Sie kommen und sie vor dem Grobian von Herrn Vater erretten und in einer unaufhaltsamen Spirale von Geilheit und Sünde mitreißen.«
»Sind Sie sicher?«
»Reine Wissenschaft.«
»Und wenn sie mich nicht mehr sehen will?«
»Passen Sie auf, Daniel. Die Frauen sind, mit bemerkenswerten Ausnahmen wie Ihre Nachbarin, die Merceditas, intelligenter als wir – oder wenigstens ehrlicher mit sich selbst bezüglich dessen, was sie wollen oder nicht. Etwas anderes ist es, ob sie es einem oder der Welt auch mitteilen. Sie haben es mit dem Rätsel der Natur zu tun. Das Weib, Babel und Labyrinth. Wenn Sie die Frau denken lassen, sind Sie verloren. Erinnern Sie sich: heißes Herz, kühler Verstand. Der Kodex des

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