Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
miteinander aus.«
»Sie sagt aber, Sie seien ein Despot.«
»Wirklich?«
»Sie hat sogar einen Spitznamen für Sie: Mister Hyde.«
»So ein Engel. Geben Sie nichts drauf. Sie wissen ja, wie Frauen sind.«
»Ja, ja, das weiß ich.« Seinem Ton war zu entnehmen, dass er zwar vieles wusste, von diesem jungen Mädchen aber nicht die geringste Ahnung hatte.
»Isabella sagt das zwar von mir, aber glauben Sie nicht, dass sie mir nicht auch Dinge über Sie sagt.«
In seinem Gesicht geriet etwas in Bewegung. Ich ließ meine Worte langsam seinen Panzer durchdringen. Mit beflissenem Lächeln reichte er mir eine Tasse Kaffee, und dann nahm er das Thema mit einer Wendung wieder auf, die im schlichtesten Operettenlibretto keine Chance gehabt hätte.
»Na, was wird sie über mich schon sagen können.«
Ich ließ ihn einige Augenblicke im Ungewissen.
»Das möchten Sie gern wissen, was?« Ich verbarg das Grinsen hinter der Tasse.
Er zuckte die Achseln.
»Sie sagt, Sie seien ein guter, großherziger Mensch, die Leute verstünden Sie nur nicht, weil Sie ein wenig schüchtern seien, und sähen in Ihnen nichts weniger als, ich zitiere wörtlich, die Figur eines Filmstars mit einer faszinierenden Persönlichkeit.«
Sempere starrte mich ungläubig an.
»Ich will Ihnen nichts vormachen, lieber Sempere. Ich freue mich nämlich, dass Sie das Thema zur Sprache gebracht haben – seit Tagen habe ich mit Ihnen darüber reden wollen und nicht gewusst, wie ich es anstellen soll.«
»Worüber reden?«
Ich schaute ihm gerade in die Augen und sagte etwas leiser: »Unter uns gesagt, Isabella will hier arbeiten, weil sie Sie bewundert und insgeheim, fürchte ich, in Sie verliebt ist.«
Sempere starrte mich an wie vom Donner gerührt.
»Aber eine lautere Liebe, ja? Vorsicht. Eine geistige Liebe. Wie eine Dickens-Heldin, um es deutlich zu machen. Nichts Oberflächliches, keine Kinderei. Isabella ist zwar noch jung, aber schon ganz Frau. Sicherlich haben Sie das auch bemerkt.«
»Jetzt, da Sie es sagen …«
»Und ich rede nicht nur, wenn Sie mir die Freimütigkeit gestatten, von dem exquisit gepolsterten Anblick, sondern auch von der inneren Güte und Schönheit, die sie in sich trägt und die nur auf den passenden Moment wartet, um hervorzukommen und irgendeinen Glückspilz zum glücklichsten Menschen der Welt zu machen.«
Sempere wusste nicht, wohin mit sich.
»Und zudem hat sie verborgene Talente. Spricht Sprachen. Spielt Klavier wie ein Engel. Hat einen Kopf für Zahlen wie weiland Isaac Newton. Und überdies kocht sie sensationell. Sie brauchen mich nur anzuschauen. Seit sie für mich arbeitet, habe ich mehrere Kilo zugenommen. Köstlichkeiten wie nicht mal im Tour d’Argent … Sie wollen mir doch nicht sagen, das hätten Sie nicht bemerkt.«
»Also von Kochen hat sie nichts gesagt.«
»Ich meine Amors Pfeil.«
»Nun, äh …«
»Wissen Sie was? Im Grunde ist das Mädchen, auch wenn sie sich als Widerspenstige gibt, die noch zu zähmen ist, geradezu krankhaft sanft und schüchtern. Schuld daran sind die Nonnen, die die jungen Mädchen in all den Handarbeitsstunden mit ihren Geschichten von der Hölle regelrecht betäuben. Es lebe die freie Schule.«
»Also ich hätte schwören können, dass sie mich mehr oder weniger für einen Dummkopf hält«, sagte Sempere.
»Da haben Sie’s. Der unumstößliche Beweis. Mein lieber Sempere, wenn eine Frau Sie wie einen Dummkopf behandelt, dann bedeutet das, dass ihre Drüsen die Produktion aufgenommen haben.«
»Sind Sie da sicher?«
»Das ist sicherer als die Bank von Spanien. Sie können mir glauben – davon versteh ich eine ganze Menge.«
»Das sagt mein Vater auch. Was soll ich also tun?«
»Nun, das kommt ganz drauf an. Gefällt sie Ihnen denn?«
»Gefallen? Ich weiß nicht. Wie kann man wissen, ob …?«
»Ganz einfach. Schielen Sie nach ihr und würden Sie am liebsten hineinbeißen?« »Hineinbeißen?« »In den Hintern zum Beispiel.« »Señor Martín …«
»Seien Sie nicht so schüchtern, wir sind ja unter Kavalieren, und bekanntlich sind wir Männer das verlorene Glied zwischen dem Piraten und dem Schwein. Gefällt sie Ihnen, ja oder nein?«
»Nun ja, Isabella ist ein hübsches Mädchen.«
»Was noch?«
»Intelligent. Sympathisch. Fleißig.« »Weiter.«
»Und eine gute Christin, glaube ich. Ich bin zwar nicht gerade praktizierender Katholik, aber …«
»Kein weiteres Wort. Isabella ist von der Messe weniger wegzudenken als der Opferstock. Die Nonnen,
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