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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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ich sag es ja.«
    »Aber in sie reinzubeißen, das ist mir wirklich nicht in den Sinn gekommen.« »Bis jetzt.«
    »Ich muss sagen, dass ich es für respektlos halte, so von ihr zu sprechen, oder überhaupt von einer Frau, und Sie sollten sich was schämen …«, protestierte Sempere junior.
    »Mea culpa.« Zum Zeichen der Kapitulation hob ich die Hände. »Aber egal – jeder bringt seine Zuneigung auf seine Weise zum Ausdruck. Ich bin ein leichtfertiger und oberflächlicher Mensch, daher meine hündische Einstellung, aber Sie mit Ihrer aurea gravitas sind ein Mann von mystischen, tiefen Gefühlen. Was zählt, ist einzig, dass das junge Mädchen Sie anbetet und dass das Gefühl gegenseitig ist.« »Nun gut …«
    »Weder gut noch schlecht. Es ist so, wie es ist, Sempere. Sie sind ein achtbarer, verantwortungsbewusster Mann. Wenn es um mich ginge, was soll ich sagen … aber Sie sind nicht der Mann, der mit den edlen, lauteren Gefühlen einer erblühenden Frau spielen würde. Oder täusche ich mich da?«
    »Vermutlich nicht.«
    »Na also.«
    »Was also?«
    »Ist es denn noch nicht klar?« »Nein.«
    »Der Moment des Werbens ist gekommen.« »Wie bitte?«
    »Den Hof machen oder, wissenschaftlich ausgedrückt, rangehen. Schauen Sie, Sempere, aus irgendeinem merkwürdigen Grund haben uns Jahrhunderte angeblicher Zivilisation so weit gebracht, dass wir uns nicht mehr einfach an einer Ecke an eine Frau heranmachen oder ihr die Ehe antragen können. Zuerst muss man sie umwerben.«
    »Ehe? Sind Sie übergeschnappt?«
    »Was ich sagen will, ist, dass Sie vielleicht, und im Grunde ist das ja Ihre eigene Idee, nur haben Sie es noch nicht gemerkt, heute oder morgen oder übermorgen, wenn sich das Knieschlottern gelegt hat und Sie nicht mehr mit offenem Mund dastehen, dass Sie Isabella dann nach Feierabend an einen hübschen Ort zu Kaffee und Kuchen einladen, und dann werden Sie beide endlich sehen, dass Sie füreinander geschaffen sind. Zum Beispiel ins Quatre Gats, wo man etwas knauserig ist und das Licht runterdreht, um Strom zu sparen, was in solchen Fällen immer förderlich ist. Sie bestellen dem Mädchen einen Quark mit einem kräftigen Löffel Honig, das regt den Appetit an, und dann schenken Sie ihr so ganz nebenbei zwei Schluck von diesem Muskateller ein, der zwangsläufig in den Kopf steigt, und während Sie ihr die Hand aufs Knie legen, benebeln Sie sie mit dem Wortschwall, den Sie sonst immer zurückhalten, Sie Schlitzohr.«
    »Aber ich weiß doch gar nichts von ihr oder wofür sie sich interessiert …«
    »Sie interessiert sich für dieselben Dinge wie Sie. Bücher, Literatur, den Duft dieser Schätze, die Sie dort haben, die Verheißungen, die in den Romanzen und Abenteuern der Groschenromane liegen. Sie ist daran interessiert, die Einsamkeit zu vertreiben und nicht erst lange zu ergründen, warum auf dieser schlechten Welt nichts auch nur einen Céntimo wert ist, wenn wir es nicht mit jemandem teilen können. Jetzt wissen Sie alles Wesentliche. Alles andere lernen und genießen Sie unterwegs.«
    Sempere versank in Grübelei und schaute abwechselnd auf seine unberührte Kaffeetasse und auf mich. Ich konnte mein Börsenmaklergrinsen nur mit Ach und Krach zurückhalten.
     
    »Ich weiß nicht, soll ich mich bei Ihnen bedanken oder Sie bei der Polizei anzeigen«, sagte er schließlich.
    In diesem Augenblick waren die schweren Schritte von Sempere senior in der Buchhandlung zu hören. Einige Sekunden später erschien sein Kopf in der Tür, und er schaute uns mit einem Stirnrunzeln an.
    »Was ist denn das? Den Laden sich selbst überlassen und munter plappern wie auf dem Jahrmarkt? Und wenn ein Kunde kommt? Oder irgendein Langfinger, der etwas mitgehen lassen will?«
    Der junge Sempere verdrehte die Augen.
    »Keine Angst, Señor Sempere, Bücher sind das Einzige auf der Welt, was nicht gestohlen wird, vor allem nicht, wenn der Laden schon geschlossen ist.« Ich zwinkerte ihm zu.
    Auf seinem Gesicht leuchtete ein schelmisches Lächeln auf. Sempere junior nutzte die Gunst des Augenblicks, um meinen Klauen zu entkommen und in die Buchhandlung zu entschwinden. Sein Vater setzte sich neben mich und witterte den Kaffee, den der Sohn nicht angerührt hatte.
    »Was meint denn der Arzt über das Zusammentreffen von Koffein und Herz?«, fragte ich.
    »Der findet selbst mit einem Anatomieatlas nicht einmal das Gesäß. Was soll er da vom Herzen verstehen?«
    »Sicherlich mehr als Sie.« Ich nahm ihm die Tasse ab. »Aber ich bin

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