Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
Gefangenen geradezu danach zu sehnen.
Einmal monatlich wurden ihre schmutzigen Kleider durch andere ersetzt, die eine Minute lang in einen Kessel mit kochendem Wasser getaucht worden waren, obwohl die Wanzen davon offensichtlich keine Kenntnis genommen hatten. Sonntags wurde eine Messe zelebriert und zur Teilnahme empfohlen, und niemand wagte es, ihr fernzubleiben, da der Geistliche die Gefangenen einzeln aufrief und sich die Namen der Abwesenden notierte. Zweimaliges Ausbleiben hatte eine Woche Essensentzug, dreimaliges einen Monat Ferien in einer der Isolierzellen im Turm zur Folge.
Die Gänge, der Hof und die anderen den Insassen zugänglichen Räume standen unter strenger Bewachung. Ein ganzes Heer gewehr- und pistolenbewehrter Wachposten patrouillierte im Gefängnis, und wenn sich die Gefangenen außerhalb ihrer Zellen befanden, konnte man nirgends hinblicken, ohne zumindest ein Dutzend von ihnen mit scharfem Blick und angelegter Waffe zu sehen. Ihnen gesellten sich, weniger bedrohlich, die Wärter zu. Keiner von ihnen sah militärisch aus, und unter den Gefangenen war man sich einig, dass es sich um eine Gruppe armer Tröpfe handelte, die in diesen Tagen allgemeinen Elends keine bessere Arbeit gefunden hatten.
Jedem Gang war ein Wärter zugeteilt, der, mit einem Schlüsselbund auf einem Stuhl am einen Ende des Gangs sitzend, eine Zwölf-Stunden-Schicht absolvierte. Die meisten von ihnen vermieden es, mit den Gefangenen zu fraternisieren, ja sie auch nur anzusprechen oder ihnen über das unbedingt Notwendige hinaus einen Blick zu schenken. Die einzige Ausnahme war ein armer Teufel mit dem Spitznamen Bebo, der in seinen Zeiten als Nachtwächter in einer Fabrik des Pueblo Seco bei einem Bombenangriff ein Auge verloren hatte.
Es hieß, Bebo habe einen Zwillingsbruder in einem Gefängnis in Valencia und vielleicht behandle er aus diesem Grund die Gefangenen einigermaßen höflich; wenn niemand es sah, gab er ihnen Trinkwasser, ein wenig trockenes Brot oder irgendetwas aus der Beute, zu der die Wachen die Fresspakete machten, die die Angehörigen den Gefangenen schickten. Gern rückte Bebo seinen Stuhl in die Nähe von David Martíns Zelle und hörte sich die Geschichten an, die der Schriftsteller manchmal den Mitgefangenen erzählte. In dieser ganz besonderen Hölle war Bebo fast so etwas wie ein Engel.
Normalerweise richtete der Direktor nach der Sonntagsmesse einige erbauende Worte an die Insassen. Man wusste von ihm gerade einmal seinen Namen, Mauricio Valls, und dass er vor dem Krieg ein bescheidener Literatenanwärter gewesen war, der als Sekretär und Zuträger eines in Barcelona ansässigen, recht namhaften Autors und ewigen Rivalen des frühverstorbenen Pedro Vidal gearbeitet hatte. In seiner Freizeit übersetzte er glücklos griechische und lateinische Klassiker, gab zusammen mit ein paar Zwillingsseelen eine kulturell hochambitionierte, kaum verbreitete Postille heraus und organisierte private Gesprächszirkel, bei denen Heerscharen geistesverwandter Eminenzen den Stand der Dinge beklagten und prophezeiten, wenn eines Tages sie die Fäden in der Hand hielten, werde die Welt in den Olymp aufsteigen.
Sein Leben schien auf diese bittergraue Existenz der Mittelmäßigen zuzulaufen, die Gott in seiner unendlichen Grausamkeit mit dem Größenwahnsinn und dem Hochmut der Titanen gesegnet hat. Doch der Krieg hatte sein Schicksal wie das so vieler anderer umgeschrieben, und es nahm eine Wende, als Mauricio Valls, bisher einzig in sein wundersames Talent und seine erlesene Raffinesse verliebt, halb aus Zufall, halb mit Blick auf eine gute Partie, die Tochter eines mächtigen Industriellen ehelichte, dessen Tentakel zu einem guten Teil das Budget von General Franco und seinen Truppen stützten.
Die Braut, acht Jahre älter als Mauricio, war seit ihrem dreizehnten Jahr an den Rollstuhl gefesselt, wo ihr eine angeborene Krankheit Muskeln und Leben aufzehrte. Kein Mann hatte ihr je in die Augen geschaut noch ihre Hand ergriffen, um ihr zu sagen, sie sei schön, und sich nach ihrem Namen zu erkundigen. Mauricio, wie alle unbegabten Literaten im Grunde ein ebenso praktisch veranlagter wie eingebildeter Mann, tat das als Erster und Letzter, und ein Jahr später heiratete das Paar in Sevilla im Beisein von Stars wie General Queipo de Llanos und anderen Großkopfeten des nationalen Apparats.
»Sie werden Karriere machen, Valls«, verhieß ihm Serrano Súñer höchstpersönlich bei einer Privataudienz in Madrid, wo
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