Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
Vom Netzwerk:
Zeitplan. Der zweite Schritt erforderte das Talent von anerkanntermaßen tüchtigen Spezialisten.

    Am nächsten Mittag, es war ein sonniger, freundlicher Tag, machte ich mich auf den Weg zur Bibliothek in der Calle del Carmen, wo ich mit Professor Alburquerque verabredet war, in der Überzeugung, dass, was er nicht wusste, niemand wusste.
    Ich fand ihn im großen Lesesaal, inmitten von Büchern und Papieren, konzentriert, die Feder in der Hand. Ich setzte mich ihm gegenüber und ließ ihn weiterarbeiten. Erst nach einer Minute bemerkte er meine Anwesenheit, hob den Kopf und schaute mich überrascht an.
    »Es muss etwas Spannendes sein, was Sie da geschrieben haben«, wagte ich mich vor.
    »Ich arbeite an einer Artikelserie über verdammte Barceloneser Schriftsteller«, erklärte er. »Erinnern Sie sich noch an einen gewissen Julián Carax, einen Autor, den Sie mir vor einigen Monaten in der Buchhandlung empfohlen haben?«
    »Aber sicher.«
    »Nun, ich bin ihm etwas nachgegangen – er hat eine unglaubliche Geschichte. Haben Sie gewusst, dass jahrelang eine diabolische Persönlichkeit die Welt nach Carax-Büchern abgeklappert hat, um sie zu verbrennen?«
    »Was Sie nicht sagen!« Ich spielte den Überraschten.
    »Ein höchst merkwürdiger Fall. Ich werde Ihnen den Artikel zukommen lassen, wenn ich fertig bin.«
    »Sie müssten ein ganzes Buch schreiben über das Thema«, schlug ich vor. »Eine geheime Geschichte Barcelonas, basierend auf ihren verdammten und offiziell verbotenen Schriftstellern.«
    Der Professor dachte offenbar angestachelt über die Idee nach.
    »Das ist mir tatsächlich auch schon durch den Kopf gegangen, aber mit den Zeitungen und der Uni habe ich so viel zu tun …«
    »Wenn nicht Sie es schreiben, wird es niemand tun.«
    »Na, vielleicht setze ich mich über all das hinweg und mache es. Ich weiß zwar auch nicht, woher ich die Zeit nehmen soll, aber …«
    »Sempere & Söhne bietet Ihnen seinen ganzen Fundus und alle erdenkliche Beratung an.«
    »Ich nehme es zur Kenntnis. Na? Gehen wir essen?«

    Für diesen Tag zog Professor Alburquerque die Segel ein, und wir machten uns auf den Weg zur Casa Leopoldo, wo wir bei einem Glas Wein und einer Tapa feinsten Serrano-Schinkens auf die Tagesspezialität warteten, den Ochsenschwanz.
    »Wie geht’s denn unserem lieben Freund Fermín? Kürzlich im Can Lluís hat er sehr niedergeschlagen gewirkt.«
    »Genau über ihn möchte ich mit Ihnen sprechen. Es ist eine äußerst heikle Angelegenheit, und ich muss Sie bitten, sie vertraulich zu behandeln.«
    »Versteht sich. Was kann ich tun?«
    Ich resümierte ihm knapp das Problem, ohne auf heikle oder überflüssige Details einzugehen. Der Professor ahnte, dass das Ganze sehr viel mehr Fleisch am Knochen hatte, als ich ihm zeigte, doch er gab sich beispielhaft diskret.
    »Also, sehen wir mal, ob ich das richtig mitbekommen haben: Fermín kann seine Identität nicht benutzen, weil er vor fast zwanzig Jahren offiziell für tot erklärt worden ist und es ihn darum in den Augen des Staats gar nicht gibt.«
    »Richtig.«
    »Aber diese annullierte Identität war, wie ich Ihrer Darlegung entnehme, ebenfalls fiktiv, eine Erfindung von Fermín selbst, um im Krieg seine Haut zu retten.«
    »Richtig.«
    »Hier komme ich nicht mehr ganz mit. Helfen Sie mir, Daniel. Wenn Fermín schon einmal eine falsche Identität aus dem Ärmel geschüttelt hat, warum benutzt er dann jetzt nicht eine andere, um heiraten zu können?«
    »Aus zwei Gründen, Professor. Der erste ist rein praktischer Natur – ob er nun seinen Namen oder einen erfundenen benutzt, Fermín hat so oder so keine Identität, und welche auch immer er zu benutzen sich entschließt, sie muss von null auf erschaffen werden.«
    »Aber vermutlich will er weiterhin Fermín sein.«
    »Ganz genau. Das ist der zweite Grund, und der ist nicht praktischer, sondern sozusagen spiritueller Natur und sehr viel triftiger. Fermín will weiterhin Fermín sein, denn das ist der Mensch, in den sich die Bernarda verliebt hat, und es ist der Mann, der unser Freund ist, den wir kennen und der er selbst sein will. Die Person, die er einmal gewesen war, gibt es für ihn seit vielen Jahren nicht mehr. Aus dieser Haut ist er schon vor langem geschlüpft. Nicht einmal ich, vermutlich sein bester Freund, weiß, auf welchen Namen er getauft wurde. Für mich, für alle, die ihn gernhaben, und vor allem für ihn selbst ist er Fermín Romero de Torres. Und im Grunde – wenn es darum geht,

Weitere Kostenlose Bücher