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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Häuschen beim Virreina-Palast. Als ich auf ihn zuging, hob er die Hand zum Gruß.
    »Der verlorene Sohn kehrt zurück. Haben Sie es sich anders überlegt? Machen wir uns an diesen Liebesbrief, der Ihnen Zugang zu Reiß- und anderen verbotenen Verschlüssen der ersehnten Jungfer ermöglicht?«
    Wieder zeigte ich ihm meinen Ehering, und er nickte.
    »Verzeihen Sie. Die Macht der Gewohnheit. Sie gehören eben noch zur alten Garde. Was kann ich für Sie tun?«
    »Neulich habe ich mich daran erinnert, woher ich Ihren Namen kannte. Ich arbeite in einer Buchhandlung und bin auf einen Roman von Ihnen aus dem Jahr 33 gestoßen, Die Reiter der Dämmerung .«
    Oswaldo ließ Erinnerungen auffliegen und lächelte sehnsüchtig.
    »Was waren das noch für Zeiten. Diese beiden unverschämten Kerle, Barrido und Escobillas, meine Verleger, haben mich bis zum letzten Cent übers Ohr gehauen. Der Gottseibeiuns hab sie selig und halte sie unter Verschluss. Aber das Vergnügen beim Schreiben dieses Romans kann mir keiner mehr nehmen.«
    »Wenn ich ihn mal mitbringe, schreiben Sie mir dann eine Widmung hinein?«
    »Aber selbstverständlich. Das war mein Schwanengesang. Die Welt war nicht gefasst auf einen im Ebro-Delta angesiedelten Western mit Banditen im Kanu statt auf Pferden und Mücken von der Größe einer Wassermelone, die sich überall breitmachten.«
    »Sie sind der Zane Grey unserer Küste.«
    »Das wäre schön gewesen. Was kann ich für Sie tun, junger Mann?«
    »Mir Ihre Kunst und Erfindungsgabe bei einem nicht weniger heroischen Unterfangen zur Verfügung stellen.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Sie müssen mir helfen, eine dokumentierte Vergangenheit zu erfinden, damit ein Freund von mir ohne gesetzliche Klippen die Frau heiraten kann, die er liebt.«
    »Ein guter Mensch?«
    »Der beste, den ich kenne.«
    »Dann ist jedes weitere Wort überflüssig. Meine Lieblingsszenen waren immer Hochzeiten und Taufen.«
    »Wir werden Gesuche, Gutachten, Eingaben, Zertifikate und all das Zeug brauchen.«
    »Das wird kein Problem sein. Einen Teil der Logistik werden wir an Luisito delegieren, den Sie ja bereits kennen und der absolut vertrauenswürdig ist und ein Künstler in zwölf verschiedenen Schriftarten.«
    Ich zog den Hundert-Peseten-Schein aus der Tasche, den der Professor abgelehnt hatte, und reichte ihn ihm. Oswaldo riss die Augen tellerweit auf und steckte ihn hurtig ein.
    »Und da heißt es immer, in Spanien habe man als Schreiber kein Auskommen«, sagte er.
    »Wird das die Betriebskosten decken?«
    »Bei weitem. Sobald ich alles in die Wege geleitet habe, werde ich Ihnen sagen, auf wie viel sich der Spaß beläuft, aber einstweilen würde ich behaupten, dass fünfzehn Duros mehr als genug sind.«
    »Das überlasse ich ganz Ihnen, Oswaldo. Mein Freund, Professor Alburquerque …«
    »Eine Edelfeder«, unterbrach mich Oswaldo.
    »Und ein noch edlerer Mensch. Wie gesagt, der Professor wird bei Ihnen vorbeikommen und Ihnen die Beschreibung der benötigten Dokumente und aller Details liefern. Wenn Sie irgendwas brauchen, finden Sie mich in der Buchhandlung Sempere & Söhne.«
    Als er den Namen hörte, begann sein Gesicht zu leuchten.
    »Das Heiligtum. Als junger Mensch ging ich jeden Samstag hin, um mir von Señor Sempere die Augen öffnen zu lassen.«
    »Mein Großvater.«
    »Jetzt bin ich seit Jahren nicht mehr hingegangen, weil meine Finanzen unter den Gefrierpunkt gesunken sind und ich zum Ausleihwesen Zuflucht genommen habe.«
    »Dann erweisen Sie uns die Ehre eines Besuchs im Laden, Don Oswaldo, wir würden uns sehr freuen, und an den Preisen soll es nicht liegen.«
    »Das werde ich tun.«
    Wir gaben uns die Hand.
    »Eine Ehre, mit den Semperes Geschäfte zu machen.«
    »Möge es das erste von vielen sein.«
    »Und was ist aus dem Hinkebein geworden, der so aufs Gold aus war?«
    »Es zeigte sich, dass nicht alles Gold war, was glänzte«, sagte ich.
    »Die Zeichen der Zeit …«

7
    Barcelona, 1958
    Dieser Januar war in kristallklare Himmel und ein eisiges Licht gehüllt, das Pulverschnee auf die Dächer blies. Tag für Tag entlockte eine strahlende Sonne den Fassaden eines transparenten Barcelonas Kanten von Glanz und Schatten, die zweistöckigen Autobusse verkehrten mit leerem Oberdeck, und die Straßenbahnen hinterließen auf den Gleisen einen Dunstschleier.
    Die Weihnachtsbeleuchtung glitzerte in blauen Feuergirlanden über den Straßen der Altstadt, und die aus tausendundeinem Lautsprecher der Läden triefenden

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