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Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod

Titel: Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Portier
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schweifen. Tsepel beobachtet ihn aus dem Augenwinkel, während er die nächste Anrufung formuliert.
    »… Wenn dein Geist und dein Körper sich trennen, wird dir eine strahlende Kraft erscheinen. Sie besitzt eine solche Macht, dass du dich vielleicht ängstigst.«
    Die Hupsignale setzen erneut ein. Evan quält sich aus seinem Pflanzensessel und kriecht in Richtung des Hangs, der zur Straße führt. Der alte Mann steht auf und eilt zu ihm. Als Evan die Steigung erreicht, packt Tsepel ihn am Fuß. Evan wendet den Kopf nach hinten. Das Dröhnen eines großen Dieselmotors erfüllt die Luft und verschwindet mit dem Echo.
    »Ein Laster wird vorbeikommen, hören Sie ihn nicht?!«

    »Beruhige dich. Hier kommt nie ein Fahrzeug vorbei.«
    Evan ignoriert ihn und beginnt zu klettern. Müde nimmt der Bauer seine Brille ab, reibt sich die Augen, streicht die Brauen glatt und setzt das Gestell wieder auf die Nase.
    »Warte!«
    Tsepel geht zu ihm, schiebt einen Arm unter seine Achselhöhle und hilft ihm, den steinigen Abhang hochzusteigen. Das Geräusch des Motors nähert sich. Einige Meter höher rutscht der Boden unter ihren Füßen weg, und sie stürzen. Doch Evan gibt nicht auf. Sofort zieht er sich wieder an der Geröllmasse nach oben. Tsepel holt ihn ein und versucht ihn mit einem leichten Schlag auf den Arm zur Räson zu bringen.
    »Schau hinter dich!«
    Evan hört ihm nicht zu und setzt den Aufstieg fort. Tsepel umklammert seine Schultern und dreht ihn auf den Rücken wie eine Schildkröte. Evan wehrt sich.
    »Lassen Sie mich los!«
    Der alte Mann deutet auf das andere Ende des Tals. Plötzlich hält Evan inne. Vor ihm, mehrere Kilometer entfernt, bewegt sich im warmen Sonnenlicht ein golden glänzender Punkt an der Flanke des Berges vorwärts.
    »Hier kommt nie jemand vorbei. Die Straße ist zu schlecht.«

    Atemlos, mit offenem Mund, starrt Evan auf den unerreichbaren Lastwagen. Der Bauer klopft ihm auf den Schenkel, um Trost zu spenden.
    »Wir müssen uns um deine Frau kümmern. Das ist am dringendsten. Danach werde ich Hilfe holen für dich. Mach dir keine Sorgen.«

    Die Sonne ist gerade untergegangen. Das Feuer lodert wieder. Tsepel nähert sich den Flammen mit einem Arm voll Zweige. Er lässt sie auf das bereits gesammelte Brennholz fallen und wendet sich händereibend Evan zu. Er scheint zu schlafen, an den Baumstamm gelehnt, den Kopf zur Seite geneigt. Tsepel geht zu ihm, bleibt vor den ausgestreckten Beinen stehen und mustert ihn aufmerksam. Seine Atmung ist schwer und tief.
    »Evan?«
    Evan rührt sich nicht. Tsepel macht kehrt und bewegt sich in Richtung des verunglückten Motorrads. Er durchschreitet das Halbdunkel und inspiziert das Gelände. Hier und da bückt er sich, um einen Gegenstand aufzuheben: ein Kleid, einen Büstenhalter, Fotos, eine Schachtel mit Tampons … Beladen schlendert er zur Feuerstelle zurück und wirft die Dinge neben den Leichnam. Dreimal hintereinander unternimmt er diesen
Gang, sortiert die verstreuten Gepäckstücke und trägt alles zusammen, was ganz offensichtlich Anne gehört. Als er seine Tätigkeit beendet hat, begibt er sich an Evans Lager, breitet seine Jacke aus und bedeckt damit sorgsam den Oberkörper. Im Schlaf gestört, hebt Evan schniefend den Kopf, wacht aber nicht auf. Langsam sinkt er wieder auf die Schulter und nimmt seine frühere Position ein. Evan beginnt zu schnarchen.
    Beruhigt geht Tsepel zur Feuerstelle und kniet vor Anne nieder. Er zieht den Schlafsack zurück, der sie einhüllt, faltet ihn lose zusammen und legt ihn hinter sie. Dann drückt er mit der linken Hand leicht auf den oberen Teil ihres Brustkorbs, schiebt die rechte Hand unter ihr Becken und dreht den Körper auf den Rücken. Annes Kopf rollt über den Stein und bildet erneut eine Linie mit der Wirbelsäule. Ihre Beine liegen ausgestreckt, leicht gespreizt. Tsepel öffnet nacheinander die Knöpfe ihres zerrissenen Hemds, ehe er die Zipfel zur Seite schlägt. Die Haut ist pergamentartig, wie ausgetrocknet. Die leblosen Brüste fallen nach außen, entsprechend den Vertiefungen zwischen den Rippen. Das Zartrosa der Brustwarzen und ihrer Höfe hat sich dunkelbraun gefärbt. Der untere Teil der Hüften ist mit blauroten Flecken übersät. Ein großes grünliches Mal umgibt den Nabel.
    Tsepel legt den Arm um ihren Hals und hebt den Rumpf des Leichnams an. Annes Kinn sinkt auf das
Schlüsselbein. Er zieht an den Manschetten; die weiße Baumwolle gleitet über Arme und Rücken. Er streift das Hemd

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