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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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sich leicht im Wind bewegten. Ich lag auf einem Bett, eine dünne Decke über den Beinen. Zandor stand in der Türöffnung. Dunkler Anzug, dunkles Hemd, kein Schlips.
    Keine Pietà an der Wand.
    »Doktor Borgmann. Sind Sie jetzt wach?«
    »Ja.«
    Mein Mund war sehr trocken. Die Zunge klebte am Gaumen.
    »Ich gehe jetzt.«
    »Kann ich etwas zu trinken haben?«
    Er schenkte Wasser aus der Karaffe ein, die auf dem Tisch stand.
    »Bitte schön. Ich verlasse Sie jetzt, Doktor Borgmann. Ich habe nach Judith gesehen. Sie hat gegessen. Alois hat einen neuen Eimer bekommen.«
    Ich trank in großen Zügen. Goss mir erneut aus der Karaffe ein.
    »Frau Enn hat mich gebeten, Ihnen das hier zu geben.«
    Er reichte mir einen Umschlag. Der war dick und ziemlich schwer. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand durch die Tür.
    »Warten Sie ...«
    Ich konnte hören, wie er die Treppe hinunterlief. Ich kam auf die Beine, aber sofort wurde mir schwarz vor Augen. Es ist sowieso zu spät, dachte ich und sank wieder zurück aufs Bett. Mein Körper fühlte sich zittrig an, wie nach einer Magen-Darm-Grippe mit Übergeben und Durchfall ... Ich trank noch mehr Wasser.
    Nach einer Weile konnte ich zum Fenster gehen. Sah gerade noch Zandor durch das Tor in der Mauer verschwinden. Er hatte eine große Reisetasche und einen Diplomatenkoffer bei sich. Blieb einen Moment lang stehen, schaute zurück zum Haus. Als wollte er sich vergewissern, dass er auch nichts vergessen hatte.
    Dann schloss er das Tor hinter sich und war verschwunden.
     
    Ich öffnete das Kuvert.
    Ein Bündel Fünfhundert-Gulden-Scheine. Ich zählte nach. Zwanzig Stück.
    Ein Brief.
    Ganz kurz. Handgeschrieben. Blaue Tinte, schöne, ebenmäßige Handschrift. Ich setzte mich aufs Bett und las.
     
    Doktor Borgmann!
    Ich bin weit fortgereist. Mein Ehemann steht im Telefonbuch, aber ich rate Ihnen, ihn nicht in die Sache hineinzuziehen. Ich hoffe, Sie werden tun, was Ihre Pflicht ist .
    Viele Grüße, Gisela Enn
     
    Ich schaute auf die Uhr. Zehn Minuten nach sechs. Ich hatte mehr als sieben Stunden in der Villa Guarda verbracht.
    Sieben Stunden – wenn die Vorzeichen gebrochen werden und alle Voraussetzungen aufgelöst, dann ist es fast eine Befriedigung, dass die Zeitpunkte an sich dennoch weiterhin existieren und einander ablösen; das habe ich immer so empfunden, ich weiß nicht, ob es sich dabei nur um einen privaten Trostgrund handelt.
    Jetzt hatte ich absolut nicht dieses Gefühl. Es erschien mir unsinnig. Eine Beschäftigung, wie einem Sterbenden ein Pflaster aufkleben. Ich nahm meine Armbanduhr ab und warf sie zu Boden.
    Zertrampelte sie mit der Hacke.
     
     
S ie nie wieder loslassen.
     
    Ich hebe sie auf. Versuche, sie dazu zu bringen, mir einen Arm um den Hals zu legen, aber sie zieht ihn wieder zurück. Ich drehe sie um, halte sie wie ein kleines Kind, drücke sie ein wenig an mich, aber sie dreht sich weg. Ihr Nacken ist angespannt, das Gesicht versucht herauszukommen ... nach unten. Die Augen verschwimmen, der Atem geht stoßend. Ihr Jammern ertönt in Wellen.
    Ich bleibe mitten im Raum still stehen und halte sie im Arm. Wiege sie vorsichtig hin und her. Suche nach einem Lied, finde aber keins. Ich habe so etwas noch nie vorher gemacht. Es ist bereits halbdunkel im Zimmer. Ein Zweig schlägt ans Fenster.
     
    Sie nie wieder loslassen.
     
    Langsam gehe ich los.
    Aus dem Zimmer. Die Treppe hinunter. Am Onyxtisch und der Ledersitzgruppe vorbei, am Kamin und dem Säulenfragment. Über den schwarzen Marmorfußboden. Ein Szenarium, so wirklich wie ... nein, ich habe keinen Vergleich mehr. Fühle mich sonderbar neu.
    Ich schiebe die Tür mit der Schulter auf, Zandor muss sie nur angelehnt haben. Trete hinaus in den Garten, in den großen, stillen Garten. Die Luft ist kühl. Wieder versuche ich ihren Körper ein wenig dichter an mich zu pressen, allein, um sie zu wärmen. Ihre Unruhe nimmt zu. Sie zittert und bebt, ihre Hände sind fest geschlossen, und sie reibt sich mit ihnen übers Gesicht. Tief unten in ihr ruft eine Stimme.
    Schmutzige Kissen, denke ich.
    Ein Spiegel, eine große Matratze.
    Herr Vargas, der acht Tage lang zögerte.
    Es ist fast dunkel. Ich gehe über die Steinplatten. Durch das Tor.
    Schaue mich nicht um.
     
    Nie wieder loslassen.
     
    Sie ist so leicht. So unbegreiflich leicht. Ich trage sie, als wenn es nichts wäre, kann sie mit einem Arm halten, während ich in der Tasche nach den Autoschlüsseln suche.
    Ich hebe sie auf den

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