Barins Dreieck
Rücksitz. Sie rollt herum, dreht das Gesicht nach innen. Ich wickle eine Decke um sie. Ihr Klagen ist jetzt eintönig und laut.
Ich starte den Wagen. Schalte die Scheinwerfer ein und fahre aus dem Park hinaus. Die Bäume hüllen sich in ihr Laub, nichts kommt an uns heran.
Nie wieder.
V
SONNTAG, 25. MAI
E in warmer Tag mit Wind aus dem Süden. Die Leute haben die Stadt verlassen, das Straßenpflaster brennt unter den Füßen. Das Café ist so gut wie menschenleer.
Es ist Wochen her, seit ich das letzte Mal hier war. Alles ist noch beim Alten. Dennoch erscheint es mir fremd, als hätte das Altbekannte und das, was einmal war, einen neuen Sinn bekommen. Glänzend und schwer zu deuten. Ich gehe hinaus und lasse mich an einem der Tische auf dem Bürgersteig nieder. Florian kommt und wischt mit seinem Handtuch sauber.
»Heiß heute.«
Ich nicke und bestelle ein Bier.
»Ist die Frau wieder zurück?«
»Ja.«
»Kristine?«
»Ja ... Kristine.«
Er fährt fort in seinem Kreislauf. Die Fliegen summen unter der Markise. Eine Frau sitzt allein an einem Tisch ein Stück von mir entfernt. Ich schaue sie nicht an.
Die Dinge haben sich verändert, wie ich bemerkt habe. Winzig kleine Geschehnisse in der Peripherie verschieben langsam, aber sicher das ganze System.
Wenn man jeden Tag, zu genau dem gleichen Zeitpunkt ...
Das ist mehr als ein Gedanke, und ich trage ihn jetzt schon lange in mir.
Florian kommt mit meinem Bier.
»Das geht auf Kosten des Hauses. Ich gebe heute ein Glas aus ... herzlichen Glückwunsch.«
»Danke.«
Er bleibt stehen, kratzt sich im Nacken.
Das Reden fällt ihm nicht leicht, dem Florian. Nach einer Weile verlässt er mich.
Ihr Bett steht in unserem Schlafzimmer. Alle drei liegen wir da, zwischen den gleichen Wänden. Kristine und ich schlafen nicht viel. Wir haben uns zwei Wochen lang neu kennen gelernt, und wir brauchen keinen Schlaf.
Eines Nachts weckten wir sie, als wir uns liebten. Ich bin mir sicher, dass sie uns ansah. Wir brachen ab. Kristine saß ganz still auf mir, ich war noch in ihr, und ich hörte Judith im anderen Bett atmen, ein zurückgehaltenes Atmen, ja, ich weiß, das sie uns beobachtete.
Die Silhouette von Kristines nacktem Körper vor dem Fenster muss sie gesehen haben; die Stille im Zimmer war intensiv, und wir verharrten alle drei in unserer Position. Erst nach einer halben Stunde oder mehr ließ meine Frau mich frei und kroch vorsichtig an meine Seite.
Wir haben uns jetzt jede Nacht geliebt, seit Kristine zurückgekommen ist, manchmal auch noch einmal morgens. Ich habe das Gefühl, als lebten wir in einer großen Zeit.
FREITAG, 27. JUNI
E in freier Tag.
Janos rudert mit gleichmäßigen, kräftigen Zügen. Wir haben keinen Motor, die Zwillinge haben an der Benzinleitung herumgebastelt. Der Wind weht direkt vom Meer her, wir steuern fast rechtwinklig gegen die Wellen. Ab und zu bekommen wir einen harten Schlag verpasst. Judith sitzt zusammengekauert zwischen meinen Füßen, sie scheint sich nicht um das Schwanken zu kümmern.
Langsam nähern wir uns dem vertrauten seichten Wasser zwischen den Inseln. Lynn und Kristine stehen am Strand, die Zwillinge neben sich. Sie winken, und Lynn ruft etwas, wie ich annehme, aber der Wind zerreißt alle Geräusche, die von Land kommen.
Ich zünde für Janos die Pfeife an. Es dauert eine halbe Stunde, um hinauszukommen. Wir reden nicht viel. Es erfordert Konzentration, in den Wellen zu rudern. Sie sind nicht rau, aber trotzdem, man verliert leicht die Orientierung. Ich beschäftige mich mit dem Angelgerät. Streiche Judith übers Haar. Sie scheint es nicht zu merken, es geschieht zu viel gleichzeitig um sie herum.
Wir ankern im Lee hinter der Vrejsdynning. Werfen ein paar Mal aus, aber ohne große Erwartung. Dann befestigen wir den Schwimmer und klemmen die Angel unter dem Sitzbrett fest. Machen es uns bequem. Suchen im Rucksack, holen Kaffee und Butterbrote heraus.
Die Sonne brennt ziemlich. Wir ziehen uns die Hemden aus. Es ist jetzt mitten am Tag, ein Schwanenpaar hat Junge bekommen, in einer langen Reihe schwimmen sie an uns vorbei auf dem Weg in die schützende Bucht. Ich folge ihrem Weg mit dem Fernglas, aber eine kaum merkliche Bewegung lässt mich einen Blick auf Judith werfen.
Vorsichtig, als ginge es um die schwierigste Präzisionsarbeit, schiebt sie die Hand über die Reling und taucht sie ins Wasser. Nach wenigen Sekunden zieht sie sie wieder zu sich. Wischt sie am Pullover
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