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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Woche, und genauso tun es die anderen. Insgesamt geht Nancy also mit ihren Liebhabern sechs oder vielleicht sieben Mal im Monat ins Bett, und das ist ja wohl kaum mehr, als viele ehrenwerte Männer von ihren treuen und tugendhaften Frauen verlangen.
    Worauf ich hinaus will: Mir kam der Gedanke – während ich da unten in meiner dunklen Zelle lag –, dass es viel besser gewesen wäre, wenn ich Nancys Nummer angegeben hätte. Irgendwie erschien sie mir sehr viel zuverlässiger als Mima, meine Ehefrau.
    Ich weiß nicht, woher mir diese Idee kam, und ich weiß auch nicht, ob das ein neuer Gedanke war oder ob er bereits die ganze Zeit vorhanden gewesen und mir erst jetzt auf Grund meiner kritischen und ungewöhnlichen Lage gekommen war.
    Dass ich Nancy mehr vertraute als Mima, meine ich.
    Ich weiß jedenfalls, dass es mir sehr eigentümlich vorkam, während ich dort lag, und auch jetzt, wenn ich wieder daran zurückdenke, erscheint mir der Gedanke sonderbar.
    Dass es Nancy war, die ich am liebsten bei mir gehabt hätte, das ist natürlich eine andere Sache, und es ist gut möglich, dass es diese Sehnsucht des Körpers war, die auf andere Dinge abfärbte. Nancys Haut ist immer warm, müssen Sie wissen, und manchmal, wenn wir uns lieben, habe ich die Empfindung, dass sie eigentlich mehr vom Leben weiß als jeder andere Mensch, den ich kenne.
    Ich glaube sogar behaupten zu können, dass ich niemals einen bösen Gedanken über sie gedacht oder ihr ein böses Wort gesagt habe.
    Das ist doch etwas sonderbar, finden Sie nicht auch?
     
    Natürlich dachte ich während der Stunde, die verging, bis Mort zurückkehrte, über alles Mögliche nach, aber wenn ich ehrlich bin, dann stand Nancy im Mittelpunkt meiner Gedanken.
    Der Kriminalkommissar war diesmal allein, ohne Tonbandgerät und ohne Kurczak. Seine Lippen waren verkniffen und blutleer, und ich sah sofort, dass er keine guten Neuigkeiten zu vermelden hatte.
    »Legen Sie endlich die Karten auf den Tisch!«, sagte er und stemmte die Hände in die Seiten.
    Ich antwortete nicht.
    »Ich will keine Zeit mehr an Sie vergeuden«, fuhr er fort. »Ich will Ihnen nur mitteilen, dass wir sowohl mit Frau Marr als auch mit dem Elementargymnasium in K- Kontakt aufgenommen haben. Studienrat Marr liegt mit einer Migräne zu Hause. Gestern Abend hat er mit seiner Frau bis elf Uhr, bis er ins Bett ging, Fernsehen geguckt. Wer immer Sie auch sind, es ist endlich an der Zeit, dass Sie mit der Wahrheit herausrücken !«
    »Das muss ...«, setzte ich an. »Ein Missverständnis ...«
    Mehr Worte kamen nicht. Etwas hatte mich an der Kehle gepackt und umklammerte sie, so dass ich einen Moment lang glaubte, erwürgt zu werden. Nach wenigen Sekunden hörte das aber auf, und ich erinnere mich, dass ich den Mund weit aufriss, um Luft zu bekommen.
    »Ich gebe Ihnen zwei Stunden Bedenkzeit!«, zischte der Kommissar. »Wenn ich zurückkomme, will ich einen vollständigen Bericht mit allen Einzelheiten. Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass wir mit Ihnen kein Federlesen machen!«
    Er klopfte zweimal an die Tür, und die Wache ließ ihn hinaus. Bevor er verschwand, drehte er sich noch einmal zu mir um.
    »Das sieht nicht gut für Sie aus«, sagte er. »Überhaupt nicht gut.«

    14

    Ein beschwerlicher Nachmittag

    Wie schwer ist es doch, über diese Stunden zu schreiben, die ich in der grünen Zelle verbracht habe ... zum Teil hat das natürlich mit der Unschärfe meiner Erinnerungsbilder selbst zu tun, zum Teil aber auch, ich zögere nicht, das zu erwähnen, mit einem gewissen Schamgefühl, das eigentlich keine größere Berechtigung hat.
    Das heißt, wenn man gewissenhaft meine Situation betrachtet. Und warum sollte man das nicht?
    Diese Nachmittagsstunden also, die ja doch irgendwie verstrichen sein müssen, nachdem der Kriminalkommissar mich mit der Nachricht zurückließ, dass ich am vergangenen Abend daheim mit meiner Frau Fernsehen geguckt hätte.
    Ich erinnere mich an sie, und ich erinnere mich nicht.
    Ich erinnere mich, wie ich ausgestreckt auf dem Rücken lag und mich an das eiserne Bettgestell klammerte. Scharfe Rostflocken schnitten mir in die Hand, und ich weiß, dass ich wünschte, sie würden mir noch tiefer unter die Haut kriechen, für alle Zeit bei mir und in mir bleiben. Wie ein Reizmittel oder ein Siegel oder etwas in der Art, denke ich.
    Ich erinnere mich, wie mich ein Zittern und Schwitzanfälle überkamen, dazu starke Kopfschmerzen. Ein Eisenband, das langsam um meine Schläfen

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