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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Klingelknopf an der Tür, beugte mich vor und drückte ihn mit der Stirn ein. Klingelte noch einmal und setzte mich dann aufs Bett.
     
    Statt der Wache war es Mort, der die Tür öffnete. Mort und ein Polizeibeamter, der sehr jung und fast schüchtern aussah. Sie traten in meine Zelle, und ich bemerkte sofort, dass etwas Neues passiert sein musste. Der Kommissar erschien mir müde und erschöpft, er hatte die Hände tief in die Taschen seines feuchten, zerknitterten Mantels geschoben. Es schien ihn kaum zu freuen, mich wiederzusehen, er sog die Wangen ein, und die Raubtierphysiognomie trat deutlicher als je zuvor zum Vorschein.
    »Nimm ihm den Quatsch ab!«
    Der Beamte löste die Gurte der Jacke, und bald war ich befreit. Ich rieb mir die Arme und betrachtete befremdet die Wunden um meine Handgelenke. Der Kommissar räusperte sich.
    »Sie können gehen!«
    Ich senkte die Arme.
    »Wie bitte?«
    »Ja, Sie können jetzt gehen. Sie brauchen nur noch Ihre Sachen bei dem Wachhabenden abzuholen und zu quittieren, dann fahren wir Sie zurück ins Hotel.«
    Ich musste mich auf die Bettkante setzen. Es gab einen Hauch von Scham in seiner Stimme, aber nur einen sehr dünnen. Ich schaute starr zu Boden, während sich Worte und Gedanken in meiner Brust stapelten. Ein Insekt war auf dem Weg aus seinem sicheren Versteck unter dem Bett, ein kleines Tier von nur wenigen Millimetern ... Ich folgte ihm mit dem Blick. Unverdrossen kroch es zwischen den schlecht geputzten Schuhen des Kommissars hindurch und verschwand in einem Loch in der gegenüber liegenden Wand.
    Das ist noch mal gut gegangen, dachte ich. Dann bat ich um eine Zigarette, und Mort streckte mir ein Päckchen hin.
    »Wären Sie so nett, mir eine Erklärung zu geben?«, fragte ich, nachdem ich Feuer bekommen hatte.
    Mort seufzte.
    »Wir haben den Fall aufgeklärt«, sagte er.
    »Wirklich?«, erwiderte ich. »Gratuliere.«
    Er schnaubte.
    Ich nahm ein paar tiefe Züge. Der Polizeibeamte drehte und wand sich und warf dem Kommissar einen fragenden Blick zu.
    »Und wie ist es abgelaufen?«, fragte ich.
    »Selbstmord«, sagte Mort.
    »Selbstmord?«
    »Ja, es hat sich herausgestellt, dass es so war ... als alle Karten auf dem Tisch lagen.«
    »Welche Karten?«
    Mort gab dem Beamten ein Zeichen, dass seine Anwesenheit nicht länger nötig war. Wartete, bis er außer Hörweite war, bevor er fortfuhr.
    »Es gab einen Brief.«
    »Einen Abschiedsbrief?«
    »Ja. Der war unter den Kleiderschrank geweht worden, als er das Fenster öffnete, um sich hinauszustürzen ... nun ja, jedenfalls nehmen wir an, dass es sich so zugetragen hat.«
    Ich zögerte eine Weile.
    »Ich habe gestern Abend mit ihm gegessen«, sagte ich. »Ich fand nicht, dass er den Eindruck machte, als wollte er ... als stünde er im Begriff, sich das Leben zu nehmen.«
    »Haben Sie ihn näher gekannt?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.«
    »Aha«, sagte Mort und putzte wieder seine Brille. »Und woher können Sie dann wissen, ob er sich das Leben nehmen wollte oder nicht?«
    Ich gab keine Antwort. Überlegte, ob ich ihm erzählen sollte, was Singh über seine Position unter den anderen Telepathikern erwähnt hatte, beschloss aber dann, es sein zu lassen. Vielleicht kannte Mort bereits die Lage, und auf jeden Fall wäre es wohl kaum noch von Bedeutung ... stattdessen war es der Gedanke an ein heißes Bad im Belvedere, der mich immer mehr mit Beschlag belegte. Die Versuchung, mich überall zu kratzen, wuchs mit jeder Sekunde. Früher oder später sind es doch immer die Bedürfnisse des Körpers, die entscheiden, und jetzt war es die Ungeduld, die in jeder Beziehung dominierte. Ich drückte die Zigarette auf dem Boden aus.
    »Es gibt auch eine Zeugin«, fuhr der Kommissar fort. »Nachdem er sich von Ihnen im Hotel verabschiedet hatte, suchte er noch eine Bar auf ... Arno’s. Er verbrachte dort zwei Stunden. Unter anderem mit einer Frau, der er gewisse Dinge anvertraute.«
    »Ich verstehe.«
    »Ja, wirklich? Das ist gut. Darf ich Sie dann bitten, mir zu folgen, damit wir die Sache aus der Welt schaffen können.«
    Mit einem leicht ironischen Raubtiergrinsen hielt er die Tür auf, und auf schweren Füßen verließ ich meine Zelle.
    »Obwohl – der Teufel mag wissen«, brummte er, als ich ihn bereits im Rücken hatte. »Der Teufel mag wissen, wie das mit Ihren Schuhen und mit Ihrer Brieftasche zusammenhängt.«
    Ich erwiderte nichts.

    15

    Nächtliche Arbeit Eine Einsicht

    Freundlich,

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