Barins Dreieck
nach welcher Strategie ich in Zukunft vorzugehen habe.
Es ist natürlich nichts Überraschendes. Ich sehe im Augenblick keine alternativen Lösungen, und ich werde sie auch später nicht finden.
I ch hatte Janis Hoorne seit zweieinhalb Jahren nicht mehr gesehen, aber er stand im Telefonbuch, und als ich ihn anrief, hatte er kein Problem, sich an unsere letzte Begegnung zu erinnern.
Sie hatte im Zusammenhang mit einer kleinen Buchmesse in Kiel stattgefunden, und wir hatten ein paar Abende gemeinsam in Bars verbracht. Wie sich herausstellte, war er der gleiche Typ Steppenwolf wie ich, und es hatte vieles gegeben, worüber wir uns unterhalten konnten, auch wenn sein doch recht ansehnlicher Schnapskonsum gewisse Hürden in den Weg gelegt hatte.
Gewissen Dingen, die sonst vielleicht gesagt worden wären. Andererseits weiß ich, dass er hin und wieder eine Weile in verschiedenen Kliniken verbracht hatte, aber als er sich jetzt am Telefon meldete – es war ein Nachmittag am ersten Sonntag im März –, da klang er wohlartikuliert und energisch. Er war gerade mit einem Projekt fürs Fernsehen beschäftigt, es ging um verschiedene rechtsextremistische Bewegungen, wie er mir erklärte, befand sich mitten in einer intensiven Schaffensphase, schien sich aber trotzdem fast enthusiastisch darüber zu freuen, dass ich von mir hören ließ.
Eigentlich wollte ich ja nur eine einfache Auskunft von ihm – es war mir über legale Quellen nicht gelungen, die Adresse von Reins Sommerhaus in Erfahrung zu bringen, und da ich wusste, dass Hoorne schon einmal dort gewesen war – das hatte er mir während der Kielwoche erzählt –, war er der erste Anlaufpunkt, der mir einfiel.
Wie auch immer, er beharrte auf einem Treffen, und wir verabredeten uns im Suuryajja, einem kleinen indonesischen Restaurant im Greijpstraaviertel, und zwar für den Montagabend.
Es wurde eine lange Sitzung mit Essen und Trinken und Gesprächen über existenzielle Dinge in dieser speziellen, ein wenig sarkastischen Tonlage, an die ich mich noch von den Abenden vor zweieinhalb Jahren gut erinnerte. Hoorne zeigte keinerlei Verwunderung darüber, dass ich plante, zu Reins Haus am Meer hinauszufahren – mein Deckmantel war, dass ich mit der Aufzeichnung einiger privater Erinnerungen beschäftigt war, die vielleicht irgendwann in eine Biografie münden sollten –, und als wir uns endlich in den frühen Morgenstunden trennten, hatte ich sowohl die Adresse als auch eine sorgfältig gezeichnete Wegbeschreibung in der Innentasche. Das Haus lief meist unter der Bezeichnung »Der Kirschgartenhof«, wie ich außerdem erfuhr, aber er wusste nicht, warum. Es hatte natürlich mit Tschechow zu tun, aber welche Berührungspunkte es da genau gab, konnte keiner von uns ermitteln, trotz gewisser Spekulationen. Ganz vorsichtig hatte ich auch versucht, ihn ein wenig hinsichtlich Rein und dessen Ehe auszufragen – Hoorne hatte ihn ja trotz allem flüchtig gekannt –, aber irgendwelche Informationen, die dahingehend interpretiert werden könnten, dass ein gewisser Verdacht über dem Todesfall lag, hatte ich nicht erhalten. Eher im Gegenteil. Für Hoorne war der Selbstmord keine Überraschung gewesen. Rein hatte sich in einer schwierigen Phase befunden – in einer dieser Flauten des Lebens, in denen es eigentlich nur darum geht, ob das Pendel weit genug ausschlägt oder nicht.
Die natürlichste Sache der Welt.
Ich bedrängte ihn auch nicht weiter. Ich wusste nicht, welche Kanäle er so hatte und mit welchen Menschen er verkehrte – soweit er überhaupt mit Menschen Kontakt hatte. Das, was ich vorhatte, war ja in diesem Fall nicht unbedingt abhängig von mehr oder weniger wohlbegründeten Spekulationen. Auf meine Frage, ob die Ehe zwischen Rein und Mariam Kadhar wohl glücklich gewesen sei, zuckte er nur abwehrend die Schultern und konterte mit der Gegenfrage, ob ich schon einmal etwas vom Wesen der Frau als solcher gehört hätte. Offenbar erschien ihm diese Antwort sowohl genial als auch erschöpfend, und ich wechselte das Thema.
Wir trennten uns wie gesagt erst spät. Da ich auf jeden Fall noch ein paar Monate in A. zu bleiben gedachte, vereinbarten wir außerdem ein erneutes Treffen in ein paar Wochen, er rechnete damit, dann die Arbeit fürs Fernsehen abgeschlossen zu haben. Seine Idee war, dass wir vielleicht ein Wochenende draußen am Meer in Molnar verbringen könnten – übrigens nur ein paar Kilometer von Reins Haus entfernt –, wo er
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