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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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und die dünnen Nasenflügel vor mir. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich unter anderen Umständen problemlos in sie hätte verlieben können.
    Aber nur unter anderen Umständen, natürlich. Das möchte ich betonen.
    Auf dem Heimweg von Planner’s ging ich ins Postamt in der Falckstraat und besorgte mir die beiden Telefonbücher von A., um einen großen Teil des Abends damit zu verbringen, die Nummern der zweiundsiebzig Mieter draußen in Wassingen herauszufinden.
    Nicht weniger als neunundfünfzig waren aufgeführt, was zweifellos eine bedeutend höhere Anzahl war, als ich erwartet hatte. Vielleicht war das ja ein gutes Zeichen, wenn man alles in allem betrachtete. Auf jeden Fall wäre ich erst einmal eine Weile damit beschäftigt, und in meiner damaligen Situation fühlte ich eine gewisse Dankbarkeit dafür.
    Es war schwer, zu dieser Zeit Rettungsbojen zu finden, und ich musste die hüten, die sich überhaupt boten. Außerdem verschwand Beatrice ausgerechnet an diesem Abend. Als ich sie vom Balkon, der zum Hof zeigte, holen wollte, kurz bevor ich ins Bett ging, war sie ganz einfach verschwunden. Wie sie es geschafft hatte, von dort wegzukommen, und welche Pläne hinter dieser Aktion standen, das waren Fragen, über die ich in den folgenden Tagen ein wenig grübelte, aber als sie knapp eine Woche später draußen saß und die Tauben anstarrte, begriff ich, dass sie sich einfach in einer Schleife der Wirklichkeit aufgehalten hatte, zu der weder ich noch irgendein anderer Mensch Zutritt hatten.
    Vielleicht beneidete ich sie ja auch ein wenig. Zumindest weiß ich, dass ich ziemlich viel Respekt vor ihr hatte.
     
     
     
E s war Gallis Kazantsakis, der mich auf die Familienkapelle aufmerksam machte, die ganz oben auf dem Berggipfel im Südosten lag. Es soll dreihundertsechzig derartige Kapellen geben, weiß gekalkte kleine Heiligtümer, über die ganze Insel verstreut. Jede Familie mit Selbstachtung hat eine eigene, dem Himmel so nahe es nur geht und nicht so einfach zu erreichen.
    Ich machte mich rechtzeitig vor Sonnenaufgang auf den Weg, und nach einer immer heißer werdenden Wanderung erreichte ich nach eineinviertel Stunden mein Ziel. Ich trat ein und entzündete auf dem winzigen Altar eine Kerze, ließ mich dann in dem schmalen Schattenstreifen an der Westseite nieder. Die ganze Insel hatte ich im Blick, die steil herabfallenden Klippen im Süden und Westen, die leicht zugänglichen Küsten im Osten und Norden. Mehrere kleine, geschützte Sandstrände hinter der Stadt, die ich bisher nicht gesehen hatte, fielen mir ins Auge, auch das eine oder andere allein stehende Haus, zu denen man nur mit dem Boot kam, da die Straße hinten am Hotel Phraxos ganz im Osten des Strandes endete. Ich beschloss zu untersuchen, wem diese – und andere – Privathäuser gehörten; es gibt eine ganze Menge davon überall auf der Insel. Es war gut möglich, dass ich genau an einem dieser vergessenen Orte das finden würde, was ich hier suchte.
    Auch über die Zeit dachte ich nach. Über den Begriff Zeit. Mehr als drei Jahre waren seit den Geschehnissen in A. vergangen, aber in dieser unerhörten Landschaft, zu dieser frühen Morgenstunde, schienen sie plötzlich zu einem Nichts zusammenzuschrumpfen. Das Entfernte und das Vergangene schienen zu wachsen und sich dem zerbrechlichen Jetzt zu nähern, das momentan nur aus meinem Rucksack mit Proviant und meinen verschwitzten Gliedmaßen bestand, die ich an die weißgekalkte Wand lehnte. Der Himmel, die Berge und das Meer – das bereits im Sonnendunst am Horizont verschwand –, sie waren alle ewig und unveränderlich.
    Ein Punkt in Zeit und Raum, ebenso vergänglich und willkürlich wie das verebbende Eselgeschrei, das genau in diesem Moment über die Olivenhaine unterhalb der Stadt rollte. Die parallele Existenz aller Zeitläufe, wie Zimjonovitj sie beschreibt. Es waren natürlich keine besonders überraschenden Gefühle, die mich da überfielen, und vielleicht handelte es sich ja auch um etwas ganz anderes. Wie üblich hatte ich Probleme mit den Worten, und als der nächste Esel seine Klage hören ließ, fühlte ich mich nur noch müde und verschwitzt und ging lieber dazu über, den Proviant zu verzehren. Bewusst hob ich eine Wasserflasche für den Abstieg auf, zündete dann eine Zigarette an und holte mein Schreibheft heraus, um durchzulesen, was ich unter dem flackernden Schein der Petroleumlampe am gestrigen Abend niedergeschrieben hatte.
    Und die Zeit schrumpfte

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