Barins Dreieck
hatte auch eine rudimentäre Beschreibung von ihm: zirka 60, hässlich, Filzhut, Pantoffelheld, was mehr als ausreichte, um ihn von anderen abzugrenzen). Was nun eintraf – am späten Donnerstagnachmittag – war, dass M6 zweimal nacheinander an mir vorbei und durch die Tür ging. Zwar mit einer Stunde Abstand, aber ohne in der Zwischenzeit hinausgegangen zu sein.
Da es nur diesen Eingang gab und ich nicht annehmen mochte, dass dieser bleichgesichtige Herr sich auf der Rückseite von einem Balkon abgeseilt hatte, erschien mir der Vorfall einige verwirrte Minuten lang, bis ich auf die Lösung kam, wie ein Unding und ein Mysterium.
Dann wurde es mir klar. Es musste eine Tiefgarage geben.
Ich fuhr um das Haus herum, suchte eine Weile, bis ich die Ein- und Ausfahrt fand, aber als es mir gelungen war, fühlte ich mich zweifellos ziemlich zufrieden. Ich beschloss außerdem umgehend, am nächsten Tag den Standort zu wechseln.
Und sei es nur der Abwechslung halber.
Und nur dank dieser Tatsache – diesem kleinen Wechsel des Parkplatzes vor dem Gebäude Nummer 36 im Zentrum von Wassingen – riss der Faden nicht ab.
Und nur deshalb gab es endlich den Durchbruch bei der Suche nach meiner verschwundenen Frau, auf den ich seit meiner Ankunft in A. vor mehr als drei Monaten gewartet hatte. Es ist natürlich nicht so einfach im Nachhinein zu sagen, aber ich behaupte heute noch, dass es schwer gewesen wäre, meine Anstrengungen noch viel länger aufrecht zu halten, wenn auch diese Woche ohne Ergebnis verlaufen wäre.
Es war kurz nach fünf Uhr. Ein grauer, alles durchdringender Nieselregen hatte sich endlich zurückgezogen, und ich saß bei heruntergekurbeltem Seitenfenster und einer frisch angezündeten Zigarette da. Das Garagentor ging auf, und ein dunkelblauer Mazda kam langsam die schmale Rampe heraufgekrochen. Gerade als der Wagen auf meiner Höhe war – mit ein paar Metern Abstand –, drehte der Fahrer den Kopf in meine Richtung, um zu kontrollieren, ob die Ausfahrt frei war, genau wie es alle anderen im Laufe des Tages gemacht hatten. Blickkontakt entstand dabei nie, trotzdem konnte ich ohne Probleme das Gesicht betrachten, das mir fast direkt zugewandt war. Es war mein Verfolger.
Einen kurzen Moment lang konnte ich ihn nicht einordnen, aber dann kam die Erinnerung zurück. Wie er sich hinter mich durch das Deijkstraaviertel geschlichen hatte. Wie er hinter mir in der Bibliothek gesessen hatte. Wie er aufs Wasser in der Reguliergracht gestarrt hatte. Ich konnte den Wagen starten, wenden und fuhr in die Richtung, in die er verschwunden war.
Mit klopfenden Schläfen, das soll nicht verschwiegen werden.
Ich habe noch nie etwas für so genannte Autojagden in der Kinowelt übrig gehabt, und mein Versuch, den blauen Mazda in diesen grauen, trüben Nachmittagsstunden draußen in Wassingen zu verfolgen, ließ die Wirklichkeit die Dichtung noch übertreffen.
Nach weniger als einer Minute hatte ich ihn verloren. Sah ihn Richtung Autobahn verschwinden, die nach A. führt, während ich selbst zwischen einem Fernlastzug und einem prachtvollen Mercedes eingeklemmt war und auf Grün wartete. Ich fluchte, trommelte aufs Lenkrad und rauchte hektisch, aber das nützte wenig. Als die Ampel endlich umschaltete, brauste ich natürlich sofort los, aber mein Peugeot war an diesem Tag nicht gerade in bester Form, und schnell wurde mir klar, dass es zwecklos war.
Da ich sowieso auf dem richtigen Weg war, fuhr ich weiter auf der Autobahn, und trotz allem konnte ich mich mit dem Gefühl einer leichten Euphorie eine Stunde später im Vlissingen niederlassen.
Noch später – sicher bereits gegen Mitternacht – kehrte ich in die Wohnung zurück. Auf der Treppe entdeckte ich einen Brief, der mir früher entgangen sein musste. Ich öffnete ihn, sobald ich durch die Tür war. Er war von der Staatsanwaltschaft, und man erklärte mir, dass ich mich am folgenden Tag im Gericht einzufinden hätte, um gewisse Fragen zu beantworten sowie eine Zeugenverfügung entgegenzunehmen.
Die Anklage gegen Mariam Kadhar und Otto Gerlach war nach allem zu urteilen am vorigen Tag erhoben worden, und man ließ mich wissen, dass die Gerichtsverhandlung vermutlich in einem Monat angesetzt werden würde.
Ich trank noch einen weiteren kleinen Whisky, obwohl ich schon das charakteristische Surren in den Schläfen spürte. Stellte mich ans dunkle Fenster und betrachtete die Menschen, die draußen herumliefen. Straßenbahnen, die vorbeirasselten, und
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