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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Rein noch mit Mariam Kadhar zu tun. Ewa hatte ihn gebeten, mich im Blick zu behalten, und der Grund dafür konnte kaum ein anderer sein, als dass sie mich gesehen hatte.
    Aus reinem Zufall vermutlich.
    Irgendwo in A. In einem Café. Auf der Straße. In einem Geschäft, während ich einkaufte. Das war vermutlich alles. Ich hatte nach meiner verschwundenen Ehefrau gesucht, aber nun war sie es geworden, die mich sah, bevor ich sie entdeckte. Das Objekt wurde zum Subjekt, wenn man so wollte. Die Beute zum Jäger.
    Natürlich musste ihr das zu denken gegeben haben, als sie mich entdeckte, und für sie musste es das Wichtigste sein herauszufinden, was ich in A. wollte. Hatte mein Aufenthalt irgendetwas mit ihr zu tun, oder war ich aus ganz anderen Gründen hier?
    Was tat ihr Ehemann, der vor dreieinhalb Jahren versucht hatte, sie zu ermorden – und der möglicherweise immer noch in dem Glauben war, dass es ihm gelungen wäre –, hier, an ihrem neuen Wohnort?
    Einfach ausgedrückt.
    Und ihre erste Aktion, um eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen, war gewesen, einen Beobachter anzuheuern.
    Einen guten Freund? Einen Arbeitskollegen? Einen Bekannten, dem sie vertraute?
    Während ich in dem morgenleeren Café saß, ging ich diese logische Gedankenkette noch einmal durch, und auch jetzt konnte ich keine Haken oder Schwachstellen entdecken. Die Verbindung zwischen Ewa und meinem Verfolger war ohne jeden logischen Zweifel sicher gezogen, und ich wusste, dass der Durchbruch geschafft war. Er war derjenige, der mich zu ihr führen würde.
    Früher oder später. Mit oder gegen seinen Willen. Aber unwiederbringlich.
    Diese Schlussfolgerungen enthielten natürlich eine gehörige Portion Glauben. Ich wusste, dass es darauf ankam, die Karten richtig auszuspielen, und genau diese Frage drängte sich mir auf und erforderte meine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration.
    Wie sollte ich mich verhalten? Was war der richtige Zug?
    Diese verdammten Entscheidungen die ganze Zeit. Diese verfluchte verdichtete Zeit! Ich erinnere mich noch, dass ich so dachte.
    Soweit ich sehen konnte, gab es genügend Möglichkeiten, Fehler zu machen, aber auf jeden Fall hatte ich im Augenblick das Gefühl, ich dürfte mich auf keinen Fall zu erkennen geben. Falls es sich später als notwendig herausstellen sollte, ihn zur Rede zu stellen, dann musste das natürlich mit Nachdruck und aller Härte geschehen – nach meinen Regeln, nicht nach seinen oder ihren.
    Vielleicht lieber auch nicht ohne eine geeignete Waffe in der Hand.
    Aber erst einmal im Verborgenen. Als ich in meinen Überlegungen so weit gekommen war, verließ ich das Café. Es gelang mir, einen Parkplatz auf der anderen Straßenseite zu finden, schräg gegenüber dem Bürohaus und so gelegen, dass ich ganz ungehindert beobachten konnte, welche Menschen hinein und heraus spazierten.
    Auf diese Art und Weise verbrachte ich den ganzen Tag. Leute kamen und gingen, sowohl Männer als auch Frauen in ziemlich ausgewogener Zahl. Besonders während der Mittagszeit zwischen zwölf und zwei war der Strom dicht. Die meisten gingen nur zu einem kleinen Stadtteilrestaurant gleich um die Ecke hinter mir, während andere sich weiter fort auf den Weg machten. Ein paar nahmen den Wagen. Mein Schatten tauchte um Viertel nach zwölf zusammen mit einem anderen Mann und einer bedeutend jüngeren Frau auf, sie verschwanden um die Ecke, an der das Café lag. Alle drei kehrten kurz nach halb zwei zurück, und dann dauerte es fast bis halb sechs, bevor er wieder herauskam. Er ging geradewegs zu seinem Mazda und fuhr nach Wassingen hinaus. Ich folgte ihm eine Weile, aber sobald klar war, wohin es ging, ließ ich ihn laufen und fuhr stattdessen zurück zur Autovermietung.
    Den ganzen Tag in der Palitzerstraat hatte ich nicht den Schatten von Ewa gesehen, und daraus schloss ich zunächst einmal, dass sie keine Arbeitskollegin des Schattens sein konnte. Außerdem hatte ich mich im Laufe des Nachmittags immer mutloser gefühlt, und ich glaube nicht, dass allein die Monotonie der Grund dafür war. Zum ersten Mal spürte ich außerdem den Hauch eines Zweifels und der Unsicherheit hinsichtlich einer möglicherweise in der Zukunft stattfindenden Begegnung mit Ewa. Bis dahin – bis zu diesem Tag Mitte April – hatte diese Frage mich nie beunruhigt, aber als sie das nun tat, erschien mir alles zusammen mit einem Mal ungemein schwer.
    Wie ein altes Trauma, das man jahrelang erfolgreich unter Verschluss gehalten hatte, das sich

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