Barins Dreieck
eine schmutzige Dämmerung, und ich machte mir klar, dass es nur noch sechs Tage waren, bis die Gerichtsverhandlung gegen Mariam Kadhar und Otto Gerlach beginnen würde.
Der 4. Mai. Ich glaube, das war so ein Datum, das ich verdrängte. Ich weigerte mich zu akzeptieren, dass es immer näher kam, weil dann – wieder einmal – alles von neuen Vorzeichen und unvorhersehbaren Zufällen umgeben sein würde. Etwas, das nur mich betraf und gegen das ich mich in keiner Weise schützen konnte.
Wie ein Operationstermin. Oder ein Scheidungs ...
Bereits am nächsten Morgen rief Haarmann an und nannte mir den Namen meines Verfolgers.
Elmer van der Leuwe.
Allein stehend, aber mit zwei Kindern aus einer früheren Ehe. Seit acht Jahren bei der Versicherungsgesellschaft Kreuger & Kreuger angestellt, die ihren Sitz in der Palitzerstraat hatte.
Und nur zwei Tage später erklärte er mir, dass es das Beste sei, die Arbeit für vierzehn Tage ruhen zu lassen. Van der Leuwe hatte nämlich gerade mit einem guten Freund eine Charterreise nach Kreta angetreten und würde nicht vor dem Sechzehnten wieder zurück sein. Eine Verbindung zu Ewa hatte Haarmann bisher nicht aufdecken können, und es schien – insbesondere da ich ja daran interessiert war, die Kosten niedrig zu halten – nur wenig sinnvoll, die Verfolgung während der zwei Wochen aufrecht zu halten.
Ich war der gleichen Meinung. Als ich den Hörer aufgelegt hatte, spürte ich, wie mich ein schrecklicher Widerwille überfiel. Mehrere Stunden lang blieb ich auf dem Bett liegen, rauchte eine Zigarette nach der anderen. Beatrice strich um mich herum und schien ernsthaft über etwas beunruhigt zu sein. Schließlich sah ich mich gezwungen, sie auf den Balkon zu lassen. Kurz darauf rief Janis Hoorne an, aber nur, um mir mitzuteilen, dass er in nächster Zeit nicht die Möglichkeit haben würde, sich mit mir zu treffen, da sich immer noch gewisse Komplikationen bei der Einspielung zeigten.
Blieb also nichts als warten.
Blieb also nichts, als in den Bars zu sitzen und die Gedanken im Zaum zu halten.
N acht.
Ich sitze hier und schreibe und erkenne immer klarer, was für ein erbärmlich schlechtes Theaterstück das Leben ist. Es gibt keine klaren Linien. Keine Moral von der Geschicht. Die Schauspieler halten sich nicht an ihre Rollen, und selbst die Dramaturgie wankt hin und her wie ein zerbrechliches Schiff auf hoher See.
Eine hässliche Hure in viel zu großen Stöckelschuhen. Was auch immer.
Heute Abend ist die Mondstraße zu kleinen Wegen auf dem Wasser geschrumpft. Die Zikaden zirpen jetzt in der Dunkelheit ein wenig mehr in Einklang. Eine ungestimmte Gitarre ist unten vom Strand her zu hören, und die Luft hat eine Temperatur, dass sie nicht auf der Haut zu spüren ist.
Hier gibt es keinen Stress. Keine Angst und kein Leiden. Und der Dekor! Ich trinke einen Schluck lauwarme, geharzte Eselpisse und zünde mir die vierzigste Zigarette des Tages an. Die Petroleumlampe rußt wie immer. Hier gibt es keine Elektrizität. Nur den Mond und die Feuer. Und Petroleum.
Ich schreibe.
Unverdrossen sprudeln diese Worte über die Geschehnisse aus mir heraus. Ich bin die ganze Zeit voller Verzweiflung, fahre aber dennoch ohne zu zögern fort. Das ist ein Gefängnis, ein wahrhaftiges Gefängnis mit sich prostituierenden Kulissen, die selbst den Teufel täuschen könnten. Zwölf Tage sind seit meiner Ankunft vergangen. Ich weiß nicht, ob ich das finden werde, weshalb ich hergekommen bin, und vielleicht ist es auch gar nicht mehr so wichtig. Zum Teufel mit Hendersons Bildern! Es ist der Weg, der die Mühe sinnlos macht, ich bin nur noch einer dieser seelenlosen Akteure in diesem gottverdammten Stück, das keiner mehr anschaut. Das keiner geschrieben und keiner inszeniert hat. Gallis meint, das Schöne an dem Retsina sei, dass man eigentlich so viel davon trinken kann, wie man will. Ich glaube ihm. Die Flasche und das Glas, die vor mir stehen, enthalten zweifellos die reinste Eselspisse, aber trotzdem trinke ich tapfer weiter.
Gott ist mein Zeuge, wie betrunken ich bin. Ich bin nicht mehr in der Lage, das zu schreiben, was ich mir vor einer Stunde überlegt habe. Werde diese Seiten auf der anderen Seite der Nacht herausreißen. Meine Worte werden im hellen Tageslicht unter die Erde kriechen. Schamhafte, bleiche Leichenwürmer.
Und hätte ich dennoch angefangen, hätte ich wahrscheinlich nur folgendes geschrieben:
. . . und ganz rechts saß M.
Das ist eigentlich das
Weitere Kostenlose Bücher