Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
Vom Netzwerk:
einzige, woran ich mich noch erinnere.
     
    Otto Gerlach saß ganz links. Tadellose Frisur und frisch rasiert. Im weißen Hemd, mit Schlips und Doppelreiher. Die Hände lagen vor ihm auf dem Tisch. Ein Sinnbild des wohlverdienten Erfolges.
    Rechts von ihm saßen zwei Anwälte. Zunächst sein eigener, daneben der von Mariam Kadhar. Sie hatten also jeder einen, und ich wusste nicht, ob das wirklich etwas zu bedeuten hatte oder ob das nur gemacht worden war, damit sie auf diese Art und Weise weiter auseinander sitzen konnten.
    . . . und ganz rechts saß M.
    In Schwarz gekleidet. So ein einfacher, schulterfreier Fetzen, den nur eine bestimmte Sorte Frauen tragen kann und der ein Monatsgehalt kostet. Wie mir gesagt wurde.
    Während ich aufstand und den Eid schwor, hob sie den Blick und schaute mich zwei Sekunden lang an. Anschließend betrachtete sie eine Weile die Schuhe des Staatsanwalts. Er stand schräg vor ihr auf dem dunklen Holzfußboden, und diese beiden Blicke unterschieden sich in nichts.
    In absolut nichts.
    Ich wurde gebeten, mich wieder hinzusetzen, was ich auch tat. Der Staatsanwalt näherte sich mir vorsichtig. Er war ein hoch gewachsener Mann in den Fünfzigern. Distinguiertes Gesicht mit einer Art halbgötterartigem, klassischem Profil, was er offensichtlich gern zur Schau stellte. Er ging um die Zeugenbank herum und stellte sich so, dass ich ihn von der linken Seite sah, während die Geschworenen und der größte Teil des Publikums seine rechte Flanke betrachten konnten. Er stand absolut still und ließ ein paar Sekunden verstreichen.
    »David Moerk«, begann er.
    Ich nickte.
    »Sie heißen David Moerk?«, führte er aus.
    »Ja«, gab ich zu.
    »Erzählen Sie uns, warum Sie hier in A. sind!«
    Ich erklärte meinen einen Grund ausführlich. Das dauerte einige Minuten, aber er unterbrach mich kein einziges Mal. Otto Gerlach saß unbeweglich da, die Hände ruhig auf dem Tisch, und ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Dennoch meinte ich, erkennen zu können, dass seine Kiefer sich ein wenig bewegten, und mir wurde klar, dass er trotz seines Auftretens das Opfer widerstreitender Gefühle war. Mariam Kadhar dagegen hielt den Kopf gesenkt und erschien sehr viel entspannter als ihr Liebhaber.
    »Danke«, sagte der Staatsanwalt, als ich fertig war. »Erzählen Sie uns von Ihrer Übersetzungsarbeit. Wie sie verlief und wann Sie Unrat zu wittern begannen.«
    Ich fuhr fort. Während ich sprach, ließ ich den Blick durch den Raum schweifen. Verweilte eine Zeit lang bei den Geschworenen. Vier Männer und drei Frauen, die alle mit geradem Rücken und leicht besorgtem Gesichtsausdruck dasaßen. Ich ging weiter zu den Zuhörern, sowohl zu denen, die unten im Parkett saßen, als auch zu den erkennbaren ersten Reihen oben im Rang. Der Raum war voll besetzt, daran gab es keinen Zweifel. Es war der zweite Verhandlungstag, der erste wirklich ernsthafte. Der Tag zuvor war – nach dem, was ich in den Zeitungen gelesen hatte – in erster Linie den technischen Daten gewidmet gewesen und dazu benutzt worden, die Anklagepunkte festzulegen.
    Heimtückischer Mord.
    Beide hatten geleugnet. Das Vorgefecht war erledigt.
    Die Zahl der Fragen war unendlich, laut der Presse. Einer der interessantesten Prozesse seit dem Fall Katz und Vermsten, schrieb der mit Laukoon Unterzeichnende im »Telegraaf«. Am Abend des ersten Tags hatte ein Kriminalmagazin im Fernsehen seine ganze Sendezeit dazu genutzt, den Fall zu diskutieren. Oder besser gesagt, Fragen zu stellen. Ich hatte einen Zipfel des Spektakels im Vlissingen gesehen.
    Würden beide verurteilt werden?
    Würde einer von ihnen alles auf sich nehmen? Wer?
    Welche handfesten Beweise konnte der Staatsanwalt vorweisen? Wie hatte das Liebesdreieck eigentlich ausgesehen? Würden sie sich auf eine Art Verbrechen aus Leidenschaft berufen?
    Etcetera.
    »Was glauben Sie, warum Rein sein Buch auf diese Art herausgebracht haben wollte?«, fragte der Staatsanwalt.
    Gerlachs Verteidiger protestierte. Erhob sich und erklärte, dass der Zeuge zu Spekulationen verleitet werden sollte. Ich schwieg.
    »Abgelehnt«, entschied der Richter. »Die Geschworenen werden sicher davon ausgehen, dass der Zeuge sich seine eigenen Gedanken gemacht hat.«
    Der Anwalt setzte sich wieder.
    »Nun?«, fragte der Staatsanwalt.
    »Können Sie die Frage wiederholen?«
    »Warum wollte Rein das Buch in Übersetzung herausbringen?«
    »Das ist doch offensichtlich.«
    »Erklären Sie!«
    Ich schaute Mariam Kadhar an. Durch

Weitere Kostenlose Bücher