Barrayar
umbringen. Ich werde es mal probieren.«
Er ließ seine Zügel auf den Hals seines ruhig dahintrottenden Pferdes fallen, kramte in der Tasche seiner blaugrauen Jacke herum und holte seinen Beutel heraus. Er brach mit nicht sonderlich sauberen Fingern ein Stück ab und lehnte sich zu ihr herüber.
Sie betrachtete das Zeug einen Moment lang misstrauisch, wie es da dunkel und blattartig in ihrer Hand lag. Stecken Sie nie fremde organische Stoffe in Ihren Mund, solange sie nicht vom Labor freigegeben sind.
Dann nahm sie es in den Mund. Das Stück war mit etwas Ahornsirup selbstklebend gemacht, aber nachdem ihr Speichel die erste überraschende Süße abgewaschen hatte, war der Geschmack angenehm bitter und adstringierend. Es schien den Belag abzulösen, der von der Nacht her an ihren Zähnen haftete, eine echte Verbesserung. Sie richtete sich auf.
Kly betrachtete sie nachdenklich. »Also, und was sind Sie, Nicht-Dame von einem anderen Planeten?«
»Ich war Astrokartographin. Dann Captain beim Astronomischen Erkundungsdienst. Dann Soldatin, dann Kriegsgefangene, dann Flüchtling. Und dann war ich Ehefrau, und schließlich war ich Mutter. Ich weiß nicht, was ich als nächstes sein werde«, antwortete sie offen, während sie das Gummiblatt kaute. Hoffentlich nicht Witwe.
»Mutter? Ich habe gehört, dass Sie schwanger waren, aber … haben Sie Ihr Baby nicht wegen dem Soltoxin verloren?« Er blickte verwirrt auf ihre Taille.
»Noch nicht. Es hat noch eine Chance zu kämpfen. Obwohl es ein bisschen unausgeglichen erscheint, ihn gerade jetzt gegen ganz Barrayar antreten zu lassen … Er ist eine Frühgeburt. Durch chirurgischen Eingriff.« (Sie entschied, nicht zu versuchen, den Uterusreplikator zu erklären.) »Er ist im Kaiserlichen Militärkrankenhaus. In Vorbarr Sultana. Das meines Wissens nach gerade von Vordarians Rebellentruppen eingenommen wurde …«
Sie zitterte. Vaagens Labor war geheim, nichts, das irgend jemands Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte. Miles ging es gut, ging es gut, ging es gut, und ein Riss in dieser dünnen Schale aus Überzeugung hätte Hysterie zur Folge … Aral, nun, Aral konnte für sich selbst sorgen, wenn das überhaupt jemand konnte. Und wie war er so überrumpelt worden, na wie? Keine Frage, der Sicherheitsdienst war mit Verrätern durchsetzt. Man konnte hier niemandem trauen, und wo war Illyan? Gefangen in Vorbarr Sultana? Oder war er Vordarians Kollaborateur? Nein … Abgeschnitten, viel wahrscheinlicher. Wie Kareen. Wie Padma und Alys Vorpatril. Das Leben im Wettlauf mit dem Tode …
»Keiner wird das Krankenhaus behelligen«, sagte Kly, der ihr Gesicht beobachtete.
»Ich – ja. Das stimmt.«
»Warum sind Sie von einem anderen Planeten nach Barrayar gekommen?«
»Ich wollte Kinder haben.« Ein unfrohes Lachen kam von ihren Lippen. »Haben Sie Kinder, Kly von der Post?«
»Soweit ich weiß, nicht.« .
»Sie waren sehr weise.«
»Oh …« Sein Gesichtsausdruck wurde abweisend. »Ich weiß nicht. Seit meine Alte gestorben ist, ist’s ziemlich still. Bei einigen Männern, die ich kenne, haben die Kinder ihnen große Schwierigkeiten gemacht. Ezar. Piotr. Ich weiß nicht, wer die Opfergaben an meinem Grab entzünden wird. Meine Nichte, vielleicht.«
Cordelia blickte auf Gregor, der auf den Satteltaschen ritt und zuhörte. Gregor hatte die Kerze für den großen Opferscheiterhaufen bei Ezars Begräbnis entzündet, Aral hatte dabei seine Hand geführt.
Sie ritten weiter die Straße hinauf, bergan. Viermal verschwand Kly auf Seitenpfaden, während Cordelia, Bothari und Gregor außer Sicht warteten.
Vom dritten dieser Zustellungsgänge kehrte Kly mit einem Bündel zurück, das einen alten Rock, ein Paar abgetragener Hosen und etwas Hafer für die müden Pferde enthielt. Cordelia, die immer noch fror, zog den Rock über ihre alten Hosen. Bothari tauschte seine auffälligen braunen Uniformhosen mit dem Silbersteifen an der Seite gegen die ausrangierten Hosen des Bergbewohners. Die Hosen waren zu kurz: sie endeten oberhalb der Knöchel und gaben ihm das Aussehen einer unheimlichen Vogelscheuche.
Botharis Uniform und Cordelias schwarzes Hemd wurden in einem leeren Postsack versteckt. Kly löste das Problem von Gregors fehlendem Schuh, indem er ihm den anderen einfach auszog und den Jungen barfuß gehen ließ, seinen allzu schönen blauen Spielanzug verbarg er unter einem übergroßen Männerhemd, dessen Ärmel er aufrollte. Mann, Frau, Kind: sie schauten aus wie eine
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