Barrayar
könnten.«
»Nicht ganz, Mylady. Es gibt ein Netz von Höhlen, dort oben in dem Waldstück da hinten. Ein altes Guerillaversteck. Kly nahm mich in der Nacht mit dorthin und zeigte mir den Eingang.«
Cordelia seufzte: »Das ist gut. Schlafen Sie ein wenig, Sergeant, wir werden Sie bestimmt später noch brauchen.«
Sie setzte sich in die Sonne auf einen der Holzstühle und ließ ihren Leib ausruhen, allerdings nicht ihren Geist. Ihre Augen und Ohren warteten angespannt auf das Jaulen eines fernen Leichtfliegers oder eines schweren Luftwagens. Sie umwickelte Gregors Füße mit behelfsmäßigen Schuhen aus Lumpen, und er wanderte umher und untersuchte alles, was er fand.
Sie begleitete ihn bei einem Besuch im Stall, um nach den Pferden zu sehen. Das Tier des Sergeanten lahmte noch sehr und Rose bewegte sich so wenig wie möglich, aber sie hatten Futter in einer Raufe und Wasser von einem kleinen Bach, der am Ende ihrer Umfriedung vorbeifloss. Klys anderes Pferd, ein schlanker Fuchs, der gesund und munter aussah, schien das Eindringen der anderen Pferde zu ertragen und biss nur nach Rose, wenn sie sich zu nah an seine Seite der Heuraufe drängte.
Cordelia und Gregor saßen auf den Stufen der Veranda, als die Sonne den Zenith erreichte, und jetzt war es angenehm warm. Der einzige Laut in dem weiten Tal außer dem Wind in den Zweigen war Botharis Schnarchen, das durch die Hüttenwände drang. Jetzt waren sie so entspannt, wie sie es unter diesen Umständen überhaupt sein konnten, entschied Cordelia und sie wagte endlich, Gregor nach seinem Eindruck – ihrem einzigen Augenzeugenbericht – über den Putsch in der Hauptstadt auszufragen. Es war keine große Hilfe, Gregors Augen, die eines Fünfjährigen, sahen das Was gut genug, aber das Warum entging ihm. Auf einer höheren Ebene hatte sie das gleiche Problem, gab Cordelia vor sich selbst enttäuscht zu.
»Die Soldaten kamen. Ein Oberst befahl Mama und mir, mit ihm zu gehen. Einer von unseren Livrierten kam herein. Der Oberst schoss auf ihn.«
»Mit einem Betäuber oder einem Nervendisruptor?«
»Mit einem Nervendisruptor. Blaues Feuer. Er fiel hin. Sie nahmen uns zum Marmorhof. Sie hatten Luftwagen. Dann rannte Negri mit ein paar Männern herein. Ein Soldat packte mich, und Mama packte mich wieder, und dabei passierte das mit meinem Schuh. Er ging ab und sie hielt ihn in der Hand. Ich hätte … ihn fester zubinden sollen, am Morgen. Dann schoss Oberst Negri auf den Soldaten, der mich trug, und einige Soldaten schossen auf Oberst Negri …«
»Mit Plasmabögen? Wurde er dabei so schrecklich verbrannt?«, fragte Cordelia. Sie versuchte, in ganz ruhigem Ton zu sprechen.
Gregor nickte stumm. »Einige Soldaten nahmen Mama, die anderen, nicht die von Negri. Negri nahm mich hoch und rannte weg. Wir liefen durch die Tunnel, unter der Residenz und kamen in einer Garage heraus. Wir stiegen in den Leichtflieger. Sie schossen auf uns. Oberst Negri sagte zu mir, ich soll den Mund halten, ich soll still sein. Wir flogen und flogen, und er schrie immer, ich soll still sein, aber ich war still. Und dann landeten wir am See.« Gregor zitterte wieder.
»Mm.« Kareen wirbelte in lebhaften Bildern durch Cordelias Vorstellung, trotz der Einfachheit von Gregors Bericht. Jenes heitere Gesicht, jetzt verzerrt im Aufschrei von Zorn und Schrecken, als man den Sohn, den sie auf die schwere barrayaranische Art und Weise geboren hatte, von ihr riss und ihr … nichts übrigließ als einen Schuh, von all ihrem unsicheren Leben und all ihrem illusorischen Besitz. Vordarians Truppen hatten also Kareen. Als Geisel? Oder Opfer? Lebendig oder tot?
»Glaubst du, dass es Mama gut geht?«
»Sicher.« Cordelia rückte verlegen hin und her. »Sie ist eine sehr wertvolle Dame. Man wird ihr nichts antun.« Bis es ihnen zweckmäßig erscheint, ihr doch etwas anzutun.
»Sie hat geweint.«
»Ja.« Sie konnte das gleiche Knäuel in ihrem eigenen Bauch spüren. Der geistige Blitz, vor dem sie gestern den ganzen Tag zurückgescheut war, explodierte in ihrem Gehirn. Stiefel, die eine gesicherte Labortür aufstießen. Die Pulte und Tische umstießen. Keine Gesichter, nur Stiefel.
Gewehrkolben, die zerbrechliche Glasbehälter und Computermonitore von Arbeitstischen fegten, zu einem wirren Scherbenhaufen auf dem Boden.
Ein Uterusreplikator, der grob aufgerissen wurde, dessen sterile Verschlüsse aufgeschlitzt wurden, dessen feuchter Inhalt herausgefetzt und auf die Fliesen geschüttet wurde … nicht
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