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Barrayar

Barrayar

Titel: Barrayar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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abgehärmte, heruntergekommene Familie aus dem Bergland.
    Sie erreichten die Höhe des Amie-Passes und begannen dann mit dem Abstieg. Gelegentlich warteten am Straßenrand Leute auf Kly, er gab mündliche Botschaften weiter, die er – so schien es Cordelia – wortwörtlich herunterratterte. Er verteilte Briefe auf Papier und billige Vocodisks, deren Selbstplaybacks blechern und dünn klangen. Zweimal hielt er an, um anscheinend leseunkundigen Empfängern Briefe vorzulesen, einmal las er einem Blinden vor, der von einem kleinen Mädchen geführt wurde. Cordelia wurde mit jeder freundlichen Begegnung nervöser, entkräftet durch die Erschöpfung ihrer Nerven. Wird dieser Kerl uns verraten? Wie sehen wir für diese Frau aus? Der Blinde kann uns wenigstens nicht beschreiben …
    Gegen Einbruch der Dämmerung kam Kly von einem seiner Abstecher zurück, blickte in beide Richtungen des stillen, dunklen Pfads durch die Wildnis und erklärte: »Diese Gegend wimmelt einfach von Leuten.« Es war ein Zeichen für Cordelias Überanstrengung, dass sie ihm innerlich zustimmte. Er betrachtete sie mit Sorge in seinem Blick: »Glauben Sie, dass Sie noch weitere vier Stunden weiterreiten können, Mylady?«
    Was ist die Alternative? An dieser Schlammpfütze hocken bleiben und heulen, bis wir gefangen werden? Sie rappelte sich auf die Beine und erhob sich von dem gefällten Baumstamm, auf dem sie gehockt hatte, während sie auf die Rückkehr ihres Führers warteten. »Das hängt davon ab, was am Ende dieser vier Stunden kommt.«
    »Mein Haus. Gewöhnlich verbringe ich diese Nacht bei meiner Nichte, hier in der Nähe. Meine Tour endet etwa zehn Stunden von hier, wenn ich meine Zustellungen erledige, aber wenn wir direkt weitergehen, können wir es in vier Stunden schaffen. Ich kann morgen früh hierher zurückkommen und meinen Plan wie gewohnt einhalten. Ganz unauffällig, ohne dass irgend jemand was bemerkt.«
    Was bedeutet ›direkt‹? Aber Kly hatte recht: ihre ganze Sicherheit lag in ihrer Anonymität, ihrer Unsichtbarkeit. Je eher sie außer Sicht waren, um so besser. »Gehen wir weiter, Major.«
    Es dauerte sechs Stunden. Botharis Pferd begann kurz vor ihrem Ziel zu lahmen. Er stieg ab und zog es hinter sich her. Es hinkte und warf seinen Kopf umher. Auch Cordelia ging zu Fuß, um ihre wundgeriebenen Beine zu schonen und sich in der frostigen Dunkelheit warm und wach zu halten. Gregor schlief ein und fiel vom Pferd, schrie nach seiner Mutter und schlief dann wieder ein, als Kly ihn vor sich setzte, um ihn besser im Griff zu haben. Der letzte Aufstieg raubte Cordelia den Atem und ließ ihr Herz wild schlagen, obwohl sie sich zur Erleichterung an Roses Steigbügel hängte. Beide Pferde bewegten sich wie alte Weiber mit Arthritis und stapften ruckelnd dahin: nur der angeborene Herdentrieb der Tiere ließ sie weiter Klys zähem Schecken folgen.
    Der Aufstieg wurde plötzlich zu einem Abstieg über einen Hügelkamm in ein großes Tal hinab. Die Wälder wurden dünner und offener, Bergwiesen waren dazwischen gestreut. Cordelia konnte die freien Räume um sich herum spüren, die jetzt der Größenordnung echter Berge entsprachen, weite Abgründe voll Dunkelheit, riesige Massen aus Stein, schweigend wie die Ewigkeit. Drei Schneeflocken schmolzen auf ihrem Gesicht, als sie nach oben blickte. Am Rand einer nur verschwommen erkennbaren Baumgruppe hielt Kly an: »Endstation, Leute.«
    Cordelia trug den schlafenden Gregor in die winzige Hütte, tastete sich zu einer Bettstelle und rollte ihn darauf. Er wimmerte in seinem Schlaf, als sie die Decken über ihn zog. Sie stand schwankend da, wie betäubt, dann streifte sie in einem letzten Aufflackern von Geistesklarheit ihre Hausschuhe ab und stieg neben Gregor ins Bett. Seine Füße waren eiskalt. Während sie sie an ihrem Leib wärmte, ließ sein Zittern allmählich nach, und er fiel in einen tieferen Schlaf. Undeutlich bekam sie noch mit, dass Kly – Bothari – irgend jemand ein Feuer im Kamin entzündet hatte.
    Armer Bothari, er war genauso lang wach gewesen wie sie. Im militärischen Sinn war er ihr Untergebener, sie müsste darauf achten, dass er aß, seine Füße versorgte, schlief … sie müsste … sie müsste …
    Cordelia schreckte aus dem Schlaf hoch und entdeckte, dass die Bewegung, die sie geweckt hatte, von Gregor ausgegangen war, der sich neben ihr aufgesetzt hatte und sich verschlafen und verwirrt die Augen rieb. Licht strömte durch zwei schmutzige Fenster an beiden Seiten

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