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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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weise Salomo zwischen zwei Urteilen von einer Truppe ausgelassener libanesischer Fratzenschneider unterhalten ließ.)
Ist ja auch egal, Hauptsache, ein paar nichtmagische Außenstehende dürfen das Haus betreten. Wenn wir den richtigen Moment abpassen, können wir vielleicht mit einem von ihnen durchrutschen. Versuchen können wir’s ja. Aber bis dahin schlaf lieber noch ein bisschen, wir haben vom Bahnhof aus noch einen anstrengenden Marsch vor uns.«
    Ausnahmsweise widersprach er mir mal nicht. Er konnte die Augen nur noch mit Mühe offen halten.
    Ich habe schon Gletscher gesehen, die schneller vorankamen als dieser Zug, sodass sich der Junge ordentlich ausschlafen konnte. Irgendwann erreichten wir aber doch den Bahnhof, der Heddleham Hall am nächsten lag. Ich rüttelte meinen Herrn wach, und wir wankten auf den Bahnsteig, den sich die Natur in rasantem Tempo zurückeroberte. Die verschiedensten Gräser sprossen aus dem rissigen Beton und auf den Wänden und dem Dach des heruntergekommenen Wartesaals hatte sich eine unternehmungslustige Winde breit gemacht. In den verrosteten Lampenschalen nisteten Vögel und es gab weder einen Fahrkartenschalter noch andere Spuren menschlichen Lebens.
    Der Zug kroch davon, als wollte er sich unter der nächsten Hecke zum Sterben niederlegen. Hinter den Schienen führte ein weiß gestrichenes Tor auf eine unbefestigte Straße, sonst gab es ringsum nur Ackerland. Der Anblick munterte mich richtig auf – endlich waren wir dem Würgegriff der Großstadt entkommen und von den natürlichen Umrissen von Bäumen und Feldfrüchten umgeben. 89
(Obwohl Felder von Menschenhand angelegt und bestellt werden, haftet ihnen nicht der üble Geruch von Zauberern an. Zauberer sind seit Urzeiten eingefleischte Städter. Sie gedeihen in Großstädten, wo sie sich vermehren wie die Ratten und klebrige Netze aus Tratsch und Intrigen weben wie fette Spinnen. Vergleichbare Autoritätspersonen bei nicht sesshaften Völkern, zum Beispiel die Schamanen in Nordamerika und den Steppen Asiens, arbeiten so völlig anders, dass man sie eigentlich überhaupt nicht als Zauberer bezeichnen kann. Leider sterben sie allmählich aus. )
    »Wir nehmen die Straße da«, erklärte ich. »Bis zum Haus sind es noch mindestens fünfzehn Kilometer, also brauchen wir jetzt noch nicht besonders aufzupassen. Ich… Was ist denn nun schon wieder?«
    Der Junge sah ganz blass und verwirrt aus. »Nichts. Ich bin… ich bin so viel…Platz… einfach nicht gewöhnt. Wo sind denn hier die Häuser?«
    »Das ist doch gerade das Schöne. Keine Häuser bedeutet keine Leute, und das bedeutet, keine Zauberer.«
    »Mir ist ganz komisch. Es ist so still hier.«
    Na klar. Er war noch nie aus der Stadt herausgekommen, war anscheinend noch nicht einmal durch einen großen Park spaziert. Die Weite machte ihm Angst.
    Ich überquerte die Schienen und öffnete das Tor. »Hinter den Bäumen ist ein Dorf. Da besorgen wir dir was zu essen und du kannst dich zwischen die Häuser kuscheln.«
    Es dauerte eine Weile, bis sich mein Herr und Meister wieder beruhigt hatte. Er schien tatsächlich zu befürchten, dass sich die öden Felder und das winterkahle Gestrüpp plötzlich gegen ihn wenden und über ihn herfallen könnten, und er blickte sich immerzu um, um sich gegen einen Überraschungsangriff zu wappnen. Bei jedem Vogelruf fuhr er zusammen.
    Im Gegensatz dazu blieb ich auf diesem ersten Abschnitt des Weges absolut gelassen, und zwar gerade weil es eine so einsame Gegend war. Weit und breit keinerlei magische Aktivitäten.
    Im Dorf fielen wir in den einzigen Lebensmittelladen ein und klauten genug Vorräte, um den Magen des Jungen den Rest des Tages bei Laune zu halten. Es war ein kleines Kaff, bloß ein paar Häuser, die sich um eine baufällige Kirche scharten, nicht groß genug für einen eigenen, ortsansässigen Zauberer. Die wenigen Menschen, die wir sahen, gingen gemächlich ihren Beschäftigungen nach und wurden dabei noch nicht einmal von Kobolden bewacht. Mein Herr konnte das nicht begreifen.
    »Wissen die Leute überhaupt, wie gefährlich das ist?«, meinte er naserümpfend, als wir das letzte Haus hinter uns gelassen hatten. »Sie haben überhaupt keine Schutzvorrichtungen. Sie sind jedem magischen Angriff wehrlos ausgeliefert.«
    »Vielleicht haben sie andere Sorgen«, gab ich zu bedenken. »Ihren Lebensunterhalt zu verdienen, beispielsweise. Aber das kannst du natürlich nicht nachvollziehen.« 90
(Das ist die traurige Wahrheit.

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