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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Straßen überwacht werden, und denk dran, dass uns auch Lovelace wahrscheinlich immer noch suchen lässt. Ich habe mich ja gerade deshalb für diesen Weg entschieden, weil es hier so dunkel und ungemütlich ist.«
    Diese Antwort schien ihn nicht besonders zu trösten, aber er jammerte jetzt etwas weniger. 85
(Nebenbei hatte diese unbequeme Marschroute den Vorteil, dass sie ihn vielleicht irgendwann vom Verlust seines geliebten Zauberspiegels ablenkte. So wie er sich anstellte, hätte man ja glauben können, der Kobold in der Scheibe sei sein leiblicher Bruder und kein ordinärer Säuglings-Imitator, der gegen seinen Willen gefangen gehalten wurde. Nathanael schien sein Pech persönlich zu nehmen. Aber nachdem er seine geliebte Mrs Underwood verloren hatte, war die Scheibe offenbar der einzige Freund, den er noch hatte. Armer Kerl. )
    Während wir weiterstolperten, analysierte ich die Lage mit meinem gewohnt messerscharfen Verstand. Vor sechs Tagen hatte mich der Junge zum ersten Mal beschworen. Von Tag zu Tag hatte ich mich unbehaglicher gefühlt und mit jedem Tag hatte meine Substanz gelitten. Sechs Tage und noch immer kein Ende in Sicht.
    Dieser verdammte Bengel! Wo würde ich ihn einordnen, wenn ich eine Liste der fiesesten Typen (was Menschen betrifft) aufstellen müsste, denen ich bis dahin begegnet war? Ich hatte schon schlimmeren Herren gedient, 86 (
Ein »guter Herr« ist natürlich ein Widerspruch in sich. Sogar Salomo konnte manchmal unerträglich sein – als junger Mann war er schrecklich pedantisch – doch zum Glück brauchte er nur seinen Zauberring zu drehen, und schon standen ihm 20000 Geister zu Diensten, sodass ich haufenweise freie Tage hatte.
)aber er war in mancher Hinsicht ein Spezialfall. Ein vernünftiger Zauberer, der seine Bosheit mit Bedacht einsetzt, kann genau einschätzen, wann der richtige Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung gekommen ist, und er setzt sein Leben (und das seiner Diener) nur im Ausnahmefall aufs Spiel. Der Junge dagegen war völlig blauäugig. Er hatte überhaupt nicht mit der Katastrophe gerechnet, die er durch seine Gedankenlosigkeit ausgelöst hatte, und seine Reaktion bestand darin, wie ein verwundeter Löwe abermals auf seinen Feind loszugehen. Was ihn auch ursprünglich gegen Lovelace aufgebracht haben mochte, seine anfängliche Vorsicht hatte einem verzweifelten Umsichschlagen Platz gemacht, das in seinem quälenden Kummer immer neue Nahrung fand. Vor lauter gekränktem Stolz und blinder Wut hatte er seinen Selbsterhaltungstrieb völlig vergessen und marschierte sehenden Auges in den Tod. Was mir im Prinzip durchaus recht gewesen wäre – hätte ich ihn nicht auf seinem Selbstmordtrip begleiten müssen.
    Ich saß in der Falle. Ich war an meinen Herrn und Meister gebunden, und mir blieb nichts anderes übrig, als dafür zu sorgen, dass er am Leben blieb.
    Bis Tagesanbruch waren wir dem Bach bis fast zur Themse gefolgt. Dort wurde er breiter, bevor er über mehrere Stauwehre in den großen Fluss strömte und wir wieder die Straße benutzen mussten. Wir kletterten die Uferböschung hoch, ich schmolz ein unauffälliges Loch in einen Drahtzaun, wir zwängten uns hindurch und standen auf einer kopfsteingepflasterten Straße. Das politische Zentrum der Stadt lag rechts, der Tower links von uns und vor uns floss die Themse. Die Ausgangssperre war schon vorbei, doch es war noch niemand unterwegs.
    »Gut«, sagte ich und blieb stehen. »Es ist nicht mehr weit bis zum Bahnhof. Aber wir haben da noch ein Problem.«
    »Nämlich?«
    »Du siehst aus wie ein Schweinehirt – und du riechst auch so.« Der Junge war von dem Marsch durch das matschige Brachland über und über mit einem raffinierten Muster aus Spritzern und Klecksen verziert. Man hätte ihn glatt einrahmen und in einer Galerie für moderne Kunst aufhängen können.
    Er verzog das Gesicht. »Dann mach mich eben sauber. Das wirst du doch hinkriegen.«
    »Aber gern.«
    Vielleicht hätte ich ihn nicht unbedingt am Kragen packen und in den Fluss tunken sollen. Die Themse war nicht viel sauberer als die Brühe, durch die wir gewatet waren, aber sie spülte den schlimmsten Schmodder ab. Ich tauchte ihn etwa eine Minute lang energisch unter, dann ließ ich ihn los und er schoss prustend in die Höhe. Dabei gab er ein ziemlich undefinierbares Gurgeln von sich, das ich auf meine Weise interpretierte.
    »Was? Noch mal? So ist’s recht – wenn schon, denn schon.«
    Nach dem zweiten Waschgang sah er wieder so gut wie neu

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