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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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dafür gebraucht. Ich habe den Saal heute Morgen selber zum ersten Mal gesehen. Simon meinte, es würde mir den Atem verschlagen, und er hat Recht behalten.«
    »Der Premierminister!«, rief jemand. Unter gedämpften Entzückens-schreien strebten die Gäste wieder dem Eingang zu, allen voran Amanda Cathcart. Nathanael machte es wie die anderen Diener und stellte sich bescheiden neben eine Säule, bis er gebraucht wurde.
    Rupert Devereaux trat ein, schlug sich lässig mit den Handschuhen in die Handfläche und lächelte wie immer freundlich. Er stach nicht nur durch seine würdige Haltung und geschmackvolle Kleidung von seinen Bewunderern ab (auch Nathanael war davon wieder genauso beeindruckt wie damals im Parlament), sondern auch durch seine Begleiter: eine Leibwache aus vier mürrischen Zauberern in grauen Anzügen und – noch bemerkenswerter – ein ungeschlachter, zwei Meter großer Afrit mit leuchtend dunkelgrüner Haut. Letzterer stand dicht hinter seinem Herrn und blickte aus roten Augen drohend in die Runde.
    Die Kobolde schnatterten vor Angst, die Gäste verbeugten sich ehrerbietig.
    Nathanael merkte, dass der Premierminister seinen versammelten Ministern, von denen der eine oder andere womöglich auf seinen Posten spekulierte, ganz offen seine Macht demonstrieren wollte. Auf Nathanael verfehlte der Auftritt seine Wirkung jedenfalls nicht. Wie kam Lovelace bloß auf die Idee, er könnte etwas so Gewaltiges wie diesen Afriten bezwingen? Das war doch total größenwahnsinnig!
    Aber da kam Lovelace schon selbst durch den Saal, um seinen Vorgesetzten zu begrüßen. Nathanaels Gesicht war nichts anzumerken, doch sein Körper verkrampfte sich vor Abscheu.
    »Herzlich willkommen, Rupert!« Ausgiebiges Händeschütteln. Lovelace schien sich überhaupt nicht um den Afriten zu scheren. Er drehte sich um und verkündete den versammelten Gästen: »Hoch verehrte Damen und Herren! Jetzt, da unser geliebter Premierminister unter uns weilt, ist die Konferenz offiziell eröffnet. Im Namen von Lady Amanda darf ich Sie alle in Heddleham Hall willkommen heißen. Fühlen Sie sich bitte ganz wie zu Hause!« Dabei sah er in Nathanaels Richtung. Nathanael drückte sich dichter an seine Säule. Lovelace’ Blick wanderte weiter. »In Kürze beginnen die ersten Reden im Großen Salon, den Lady Amanda eigens für den heutigen Tag neu dekoriert hat. In der Zwischenzeit begeben Sie sich bitte in den Seitenflügel, wo weitere Erfrischungen auf Sie warten.«
    Er gestikulierte in die betreffende Richtung und die Gäste machten sich auf den Weg.
    Lovelace beugte sich zu Devereaux hinüber. Nathanael konnte hinter seiner Säule mithören: »Ich muss nur rasch noch ein paar Dinge für meine Eröffnungsrede holen, Sir. Wenn Sie mich bitte entschuldigen? Ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
    »Das ist doch selbstverständlich, Lovelace. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
    Devereaux verließ mit seinem Gefolge den Saal, wobei der Afrit mit finsterer Miene die Nachhut bildete. Lovelace sah ihnen einen Augenblick nach und entfernte sich dann in die entgegengesetzte Richtung. Nathanael blieb, wo er war, und tat, als sei er vollauf damit beschäftigt, die leeren Gläser einzusammeln, die überall im Saal auf antiken Möbeln und Marmorsockeln herumstanden. Erst als der letzte Diener gegangen war, stellte er sein Tablett leise auf einem Tisch ab und folgte Lovelace lautlos wie ein Schatten.

38
    Simon Lovelace schritt mit gesenktem Kopf und locker hinter dem Rücken verschränkten Händen durch die Flure und Säle des großen Gebäudes. Er achtete nicht auf die zahllosen Gemälde, Skulpturen, Wandteppiche und anderen Kunstwerke, an denen er vorbeikam, und sah sich kein einziges Mal um.
    Nathanael huschte von Säule zu Sockel, von Bücherregal zu Sekretär und verließ seine jeweilige Deckung erst wieder, wenn er sicher war, dass der Zauberer genug Vorsprung hatte. Sein Herz hämmerte und in seinen Ohren rauschte es – fast wie damals, als er mit Fieber im Bett liegen musste. Nur dass er sich diesmal nicht krank, sondern ausgesprochen lebendig fühlte.
    Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Lovelace zur Tat schritt. Nathanael war sich dessen so sicher, als hätte er alles selbst geplant. Er wusste immer noch nicht genau, was geschehen würde, doch er sah an der angespannten Haltung und dem entschlossenen Gang des Zauberers, dass der Zeitpunkt nicht mehr fern war.
    Er wünschte, Bartimäus würde sich zeigen. Der Dschinn war seine einzige Waffe.
    Lovelace

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