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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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durch einen Schwarm ausgestreckter Hände, die wie gierige Möwen auf seine Häppchen herabstießen. Niemand bedankte sich oder schien ihn überhaupt wahrzunehmen. Immer wieder griff jemand ohne hinzusehen nach dem Tablett oder führte ein Häppchen zum aufgesperrten Mund und verpasste dem Pagen dabei mit der Hand oder dem Ellbogen eine Kopfnuss. Im Handumdrehen war das oberste Tablett bis auf ein paar Krümel leer und auf dem unteren lagen nur noch ein paar traurige Reste. Sofort sah sich Nathanael an den Rand gedrängt. Mit verrutschtem Kragen rang er nach Luft.
    Neben ihm stand ein hagerer Diener und füllte mit bekümmerter Miene Gläser nach. »Wie die Tiere, was?«, sagte er leise. »Diese elenden Zauberer.«
    »Ja.« Nathanael hörte kaum zu. Er betrachtete die Ministermeute durch seine Linsen. Mit ihrer Hilfe konnte er erkennen, was im Saal noch alles vor sich ging. Beinahe hinter jedem Mann und jeder Frau schwirrte ein Kobold umher, und während sich die Damen und Herren in verbindlichem Smalltalk ergingen, über andere Gäste herzogen und ihren Schmuck befummelten, unterhielten sich die kleinen Sklaven auf ihre Weise. Sie prahlten und protzten und plusterten sich zu absurdem Umfang auf, wobei sie immer wieder verstohlen versuchten, ihren Rivalen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft abzulassen, indem sie diese mit ihren spitzen Schwänzen in die empfindlichsten Stellen pikten. Manche änderten ihre Färbung, durchliefen den ganzen Regenbogen, bevor sie sich für ein drohendes Rot oder giftiges Gelb entschieden. Andere begnügten sich damit, Fratzen zu schneiden und die Gesichter oder Gesten der Herren ihrer Gegenspieler nachzuäffen. Falls die Zauberer das Ganze mitbekamen, ignorierten sie es sehr überzeugend, doch Nathanael wurde von dem scheinheiligen Getue der Gäste im Verein mit den Faxen der Kobolde ganz schwindelig.
    »Bietest du die Dinger an oder führst du sie nur spazieren?«
    Vor ihm stand eine Frau mit einer umfangreichen Taille, umfangreichen Hüften und einem noch umfangreicheren Kobold über der Schulter und funkelte ihn ärgerlich an. Neben ihr… Nathanaels Herz flatterte… stand Lovelace’ Kumpan, der fischige Mr Lime, und hinter seinem Ohr drückte sich der kleinste, unbeholfenste Kobold herum, den man sich vorstellen konnte. Nathanael ließ sich nichts anmerken und präsentierte der Frau mit gesenktem Kopf das Tablett. »Entschuldigen Sie bitte, Madam.«
    Sie nahm sich zwei Häppchen, Lime eines. Nathanael sah scheinbar betreten zu Boden, spürte aber den Blick des Mannes auf sich ruhen.
    »Kennen wir uns nicht irgendwoher?«, fragte der Fischige.
    Die Frau zupfte ihren Begleiter am Ärmel. »Nun komm schon, Rufus. Was unterhältst du dich mit einem Gewöhnlichen, wenn man mit so vielen richtigen Leuten plaudern kann? Sieh mal – da drüben ist Amanda!«
    Der Zauberer zuckte die Achseln und ließ sich mitziehen. Nathanael schaute den beiden nach und musste feststellen, dass Limes Kobold den Kopf um neunzig Grad drehte und ihn so lange anstarrte, bis ihm andere Gäste die Sicht versperrten.
    Der Diener neben ihm bekam überhaupt nichts davon mit, denn er konnte die Kobolde nicht sehen. »Das war’s mit den Häppchen«, sagte er. »Jetzt kannst du Getränke anbieten gehen. Die sind durstig wie Kamele und die meisten haben noch schlechtere Manieren.«
    Einige Gäste schlenderten aus dem Vestibül in den angrenzenden Saal, und Nathanael war froh, dass er einen Vorwand hatte, ihnen zu folgen. Er wollte aus dem Gedränge heraus und tiefer in das Haus vordringen. Bis jetzt hatte er weder Lovelace und das Amulett entdeckt, noch war ihm sonst etwas Verdächtiges aufgefallen. Aber es war ohnehin zu früh, denn der Premierminister war noch nicht eingetroffen.
    Auf halbem Weg in den Nebenraum kam er an der Frau aus der Bibliothek vorbei. Sie war von einer kleinen Gruppe Gäste umringt und hielt Hof. Nathanael trieb sich in ihrer Nähe herum, bot volle Gläser an, nahm leere entgegen.
    »…Sie werden ihn ja gleich selber sehen«, kündigte sie an. »Ich war einfach überwältigt! Simon hat ihn eigens für diesen Nachmittag aus Persien importieren lassen.«
    »Er hat sich Ihretwegen viel Mühe gegeben«, bemerkte ein Mann und nippte an seinem Glas.
    Amanda Cathcart errötete leicht. »Oh, er ist wirklich ganz reizend zu mir. Aber es ist einfach so unglaublich raffiniert! Bestimmt will dann jeder so etwas haben! Dabei war das Ganze nicht einfach einzubauen – Simons Leute haben eine ganze Woche

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