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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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wünsche dir für den Rest deines kurzen Lebens alles Gute!«
    Meine Erscheinung vibrierte und verblasste. Eine Rauchsäule kräuselte sich vom Boden empor, als wollte sie mich verschlucken und entführen. Es war reines Wunschdenken – dafür sorgte Adelbrands Pentagramm.
    »Du kannst noch nicht gehen! Deiner harren noch weitere Aufträge.« Die eingestreuten altmodischen Floskeln störten mich noch mehr als die verlängerte Knechtschaft. ›Treuloser Dämon‹– also ehrlich! So redet doch niemand, jedenfalls seit zweihundert Jahren nicht mehr. Da musste man ja annehmen, er hätte sein Handwerk ausschließlich aus irgendeiner längst überholten Schwarte gelernt.
    Aber altmodische Ausdrücke hin oder her, er hatte leider Recht. Die meisten gewöhnlichen Pentagramme binden einen nur an einen einzigen Auftrag, wenn man den ausgeführt hat, ist man wieder frei. Will der Zauberer einen abermals in Anspruch nehmen, muss er das ganze Beschwörungsbrimborium von Anfang an wiederholen. Doch mit Adelbrands Pentagramm war das etwas anderes: Seine zusätzlichen Runen verdoppelten die bannende Wirkung und zwangen einen, weitere Befehle abzuwarten. Es war eine komplizierte Zauberformel, die große Willenskraft und Konzentration erforderte, und das wiederum lieferte mir Munition für meinen nächsten Angriff.
    Ich ließ den Rauch abflauen. »Na schön. Wo ist er?«
    Der Junge drehte und wendete das Amulett immer noch in den bleichen Händen. Er blickte geistesabwesend auf. »Wer?«
    »Der Boss, dein Meister, die graue Eminenz, der Drahtzieher im Hintergrund. Der Mann, der dich bei diesem kleinen Diebstahl vorgeschoben hat, der dir erklärt hat, was du sagen und was du aufmalen sollst. Der Mann, der quietschfidel in der zweiten Reihe stehen und zusehen wird, wie Lovelace’ Helfershelfer mit deinem verstümmelten Leichnam auf den Dächern Londons Fußball spielen. Er appelliert an deine Unwissenheit und jugendliche Eitelkeit und verfolgt dabei ganz andere Absichten.«
    Das hatte gesessen. Er verzog den Mund.
    »Na, was hat er dir alles erzählt?« Ich verfiel in einen herablassenden Singsang. »Gut gemacht, mein junger Freund, du bist der fähigste kleine Zauberer, der mir seit langem untergekommen ist. Hast du nicht Lust, einen mächtigen Dämon zu beschwören? Doch? Na, das machen wir doch glatt! Dabei können wir gleich jemandem einen Streich spielen und ein Amulett stibitzen…«
    Der Junge lachte. Ich war verblüfft. Ich hatte einen Wutanfall oder ein bisschen Fracksausen erwartet, aber nein, er lachte.
    Er besah sich das Amulett ein letztes Mal, dann beugte er sich vor und legte es in die Schale zurück. Wieder war ich überrascht. Dann schob er das Gefäß mit dem Hakenstab wieder aus seinem Schutz-kreis heraus.
    »Was machst du da?«
    »Ich gebe es dir zurück.«
    »Ich will es aber nicht.«
    »Nimm es.«
    Ich hatte keine Lust, mich mit einem Zwölfjährigen herumzustreiten, schon gar nicht mit einem, der mir seinen Willen aufzwingen konnte, also griff ich aus meinem Kreis und nahm das Amulett.
    »Und jetzt? Wenn Simon Lovelace kommt, werde ich mich nicht mit ihm um das Ding zanken. Ich gebe es ihm mit Kusshand zurück und dann zeige ich ihm, hinter welchem Vorhang du dich verkriechst.«
    »Warte.«
    Der Junge zog etwas Glänzendes aus der Innentasche seines bauschigen Mantels. Habe ich schon erwähnt, dass der Mantel ungefähr drei Nummern zu groß für ihn war? Offensichtlich hatte er einst einem ziemlich glücklosen Zauberer gehört, denn obwohl er x-mal geflickt worden war, zeigte er unübersehbare Spuren von Feuer, Blut und scharfen Klauen. Ich wünschte dem Jungen von ganzem Herzen das gleiche Schicksal.
    In der linken Hand hielt er jetzt eine blanke Scheibe – einen Zauberspiegel aus polierter Bronze. Er strich ein paarmal mit der Rechten darüber und starrte mit ausdruckslosem, konzentriertem Gesicht auf das reflektierende Metall. Was für ein Kobold auch darin gefangen sein mochte, er gehorchte ziemlich schnell. Ein verschwommenes Bild erschien und der Junge betrachtete es eingehend. Ich war zu weit entfernt, um etwas zu erkennen, aber während er beschäftigt war, ließ ich meinen Blick ebenfalls ein wenig umherschweifen.
    Das Zimmer… Ich suchte nach einem Anhaltspunkt für seine Identität. Vielleicht ein an ihn adressierter Briefumschlag oder ein Namensschild an seinem Mantel. Mit beidem hatte ich in anderen Fällen schon Erfolg gehabt. Natürlich hoffte ich nicht, seinen Geburtsnamen herauszubekommen –

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