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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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gestört, dann hätte ich das fertige Pergament abgeholt und wäre längst wieder in London. Deine Nachforschungen wären vergeblich gewesen. So aber musste ich dich ein bisschen beschäftigen. Deshalb habe ich der Polizei einen kleinen Tipp gegeben.«
    Nathanael kniff die Augen zusammen. »Und wer hat Ihnen erzählt, dass ich herkomme?«
    »Mein Auftraggeber, wer sonst. Ich habe es den Tschechen weitererzählt, und die sind diesem Stümper von britischem Geheimagenten den ganzen Tag gefolgt, denn sie wussten, dass er sie früher oder später zu dir führen würde. Sie glauben nämlich, dass du in Prag bist, weil du eine Bombe legen sollst. Aber das spielt jetzt alles sowieso keine Rolle mehr. Die Dummköpfe haben mich im Stich gelassen.«
    Beim Reden hielt er Schwert und Scheibe gezückt, sein Blick huschte zwischen Nathanael und dem Zauberer hin und her. Dem Jungen drehte sich der Kopf… es hatte doch kaum jemand gewusst, dass er nach Prag wollte, und trotzdem hatte jemand den Söldner davon in Kenntnis gesetzt. Das bedeutete… Nein, er durfte jetzt nicht abschweifen. Er sah, wie sich Bartimäus langsam wie eine Schnecke zentimeterweise aus dem Blickfeld des Söldners schob. Noch ein kleines Stück, dann war der Dschinn in der idealen Angriffsposition…
    »Dann haben Sie sich also nach Lovelace’ Tod einen anderen miesen Verräter gesucht!«
    »Lovelace?« Die dichten Brauen hoben sich amüsiert. »Der war schon damals nicht mein Hauptauftraggeber. Er war bloß eine Randfigur, ein Amateur, viel zu ehrgeizig, um Erfolg zu haben. Mein Herr hat ihn zwar ermutigt und bis zu einem gewissen Grad unterstützt, aber Lovelace war nicht sein einziges Werkzeug. So wie ich auch jetzt nicht sein einziger Untergebener bin.«
    »Wer ist es? Für wen arbeiten Sie?«, schnaubte Nathanael.
    »Für jemanden, der gut zahlt, ist doch klar. Du bist wirklich ein komischer kleiner Zauberer.«
    In diesem Augenblick hob der Dschinn die Hand, doch Kavka kam ihm zuvor. Die ganze Zeit hatte er mit dem Golempergament neben Nathanael gestanden. Jetzt gab er sich mit fest geschlossenen Augen plötzlich einen Ruck und riss das Manuskript mittendurch.
    Die Wirkung war verblüffend.
    Ein Magieschwall drang aus dem zerrissenen Schriftstück und fegte wie ein Tornado durch das kleine Haus. Nathanael wurde von seinem Sog erfasst und mit allem, was im Zimmer war, durch die Luft gewirbelt, mit Dschinn, Söldner, Tisch, Sofa, Papieren, Schreibfedern, umherspritzender Tinte. Für einen Sekundenbruchteil erspähte er, wie die drei für ihn sichtbaren Ebenen unterschiedlich heftig durchgerüttelt wurden, sodass auf einmal alle Gegenstände in dreifacher Ausführung vorhanden waren. Die Wände wackelten, der Fußboden neigte sich. Das elektrische Licht flackerte und erlosch. Nathanael knallte auf den Boden.
    Der Sog verschwand durch die Dielen im Erdboden. Die dem Pergament innewohnende Kraft war versiegt. Die Ebenen kamen zur Ruhe, die Erschütterungen erstarben. Nathanael hob den Kopf. Er lag zusammengekrümmt unter dem umgekippten Sofa, den Kopf zum Fenster gewandt. Immer noch waren die Lichter der Stadt zu sehen, doch seltsamerweise kamen sie jetzt von weiter oben. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was geschehen war. Das ganze Haus war verrutscht und gekippt und stand nun zur Seite geneigt am Rand des Abhangs. Die Fußbodendielen fielen zum Fenster hin leicht ab. Während er sich das noch klar machte, schlitterten schon die ersten kleineren Gegenstände an ihm vorbei und kamen erst an der schiefen Wand zur Ruhe.
    Es war ziemlich dunkel im Zimmer. Es regnete raschelnd Papier. Wo war der Söldner? Wo war Bartimäus? Nathanael blieb ganz still unter seinem Sofa liegen, seine Pupillen groß und schwarz wie die eines Kaninchens bei Nacht.
    Kavka konnte er gut erkennen. Der alte Zauberer hing mit dem Gesicht nach oben über der schiefen Spüle, Schriftstücke schwebten auf ihn nieder und deckten ihn zu wie ein behelfsmäßiges Leichentuch. Sogar aus dieser Entfernung konnte Nathanael sehen, dass der Mann tot war.
    Das schwere Sofa drückte schmerzhaft auf seine Beine. Er war eingeklemmt. Am liebsten hätte er das Möbel weggeschoben, aber das war zu riskant. Deshalb blieb er liegen und hielt Augen und Ohren offen.
    Schritte. Eine Gestalt glitt in sein Gesichtsfeld. Der Bärtige blieb an der Spüle mit dem Toten stehen, betrachtete prüfend die Leiche, fluchte leise und ging weiter, um das Durcheinander vor dem Fenster zu durchsuchen. Er bewegte sich

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