Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Kavka sang immer noch hell und klar wie ein Kanarienvogel.
    »Sie sehen ja, es ist noch nicht fertig. Es fehlt noch eine halbe Zeile, und die kostet mich eine ganze Nacht, eine Nacht, die so oder so meine letzte ist, denn wenn nicht mein letztes Blut in die Tinte fließt, wird er mich gewiss umbringen. Sehen Sie das leere Feld da oben? Dort will sein Auftraggeber den eigenen Namen hineinschreiben. Mehr Blut braucht er nicht zu opfern, um die Kreatur zu befehligen. Für ihn ist das eine feine Sache, o ja, für den armen Kavka weniger.«
    »Wie heißt er denn?«, fragte ich. Am besten, man kommt gleich auf den Punkt.
    »Der Auftraggeber?« Kavka lachte rau. Es klang wie ein irrer, alter Vogel. »Den kenne ich nicht. Ich bin ihm nie begegnet.«
    Der Junge betrachtete noch immer das Pergament. »Es ist für einen weiteren Golem bestimmt…«, sagte er ganz benommen. »Man steckt es ihm in den Mund und erweckt ihn damit zum Leben. Der Schreibende opfert sein eigenes Blut und das verleiht dem Golem Kraft…« Er blickte auf und sah Kavka zugleich fasziniert und entsetzt an. »Warum tun Sie das? Es bringt Sie um!«
    »Das ist jetzt uninteressant«, unterbrach ich ihn unwirsch. »Wir müssen herausfinden, wer ihn damit beauftragt hat. Uns läuft die Zeit davon, es wird bald Morgen.«
    Aber der Zauberer redete weiter, und sein trüber, teilnahmsloser Blick legte die Vermutung nahe, dass er uns schon nicht mehr richtig sah. »Wegen Karl natürlich«, sagte er, »und wegen Mia. Man hat mir versprochen, dass ich sie heil und gesund wiederbekomme, wenn ich das hier schreibe. Ich glaube zwar nicht mehr daran, aber es ist meine allerletzte Hoffnung. Vielleicht zeigt er sich ja erkenntlich, vielleicht auch nicht. Genauso gut könnten sie längst tot sein.« Ein scheußlicher Husten schüttelte ihn. »Ehrlich gesagt fürchte ich, dass dem so ist.«
    Der Junge sah ihn verwirrt an. »Karl? Mia? Ich verstehe kein Wort.«
    »Mehr Familie habe ich nicht«, fuhr der Zauberer fort, »und es betrübt mich sehr, dass ich sie verloren habe. Die Welt ist ungerecht. Aber wenn man verzweifelt ist, greift man eben nach jedem Strohhalm… das müssten sogar Sie als verdammter Engländer nachvollziehen können. Ich konnte doch nicht die einzige Chance ausschlagen, sie noch einmal zu sehen!«
    »Wo leben sie denn jetzt? Ich meine, Ihre Familie?«, fragte Nathanael.
    »Ha!« Jetzt kam Leben in den Zauberer, sein Blick wurde einen kurzen Moment wach. »Woher soll ich das wissen? Auf irgendeinem gottverlassenen Sträflingsschiff? Im Tower von London? Oder sind ihre Leichen längst eingeäschert und verscharrt? So was ist doch Ihr Spezialgebiet, mein kleiner Engländer! Verraten Sie es mir! Sie kommen doch von der britischen Regierung, nicht wahr?«
    Mein Herr nickte.
    »Der, hinter dem Sie her sind, ist Ihrer Regierung nicht wohlgesonnen.« Kavka hustete wieder. »Aber das wissen Sie ja schon. Deshalb sind Sie ja hier. Meine Regierung würde mich umbringen, wenn sie wüsste, was ich getan habe. Sie will nicht, dass wieder jemand einen Golem erschafft, damit nicht wieder ein Gladstone mit seinem schrecklichen Zauberstab über Prag herfällt.«
    »Dann sind Ihre Verwandten also tschechische Spione? Sie sind nach England gegangen?«
    Der Zauberer nickte. »Man hat sie geschnappt. Ich habe nichts mehr von ihnen gehört. Dann kam ein Herr bei mir vorbei und meinte, sein Auftraggeber würde sie mir wohlbehalten zurückschicken, wenn ich für ihn mithilfe des alten Geheimwissens das zur Erschaffung des Golem benötigte Pergament anfertigte. Was blieb mir anderes übrig? Würde nicht jeder Vater so handeln?«
    Untypischerweise erwiderte mein Herr nichts. Untypischerweise sagte auch ich nichts. Ich betrachtete Kavkas eingefallenes Gesicht, die mageren Hände, seinen trüben Blick, ahnte, dass er unzählige Stunden über Büchern und Dokumenten gebrütet hatte, sah, wie das Pergament seine Lebensgeister aufzehrte, und das alles nur wegen des vagen Versprechens, dass man seine Kinder freilassen werde.
    »Das erste Pergament habe ich vor einem Monat fertig gestellt«, führte Kavka aus. »Bei der Abholung hat der Bote die Forderung erweitert. Auf einmal wurden zwei Golems gebraucht. Vergebens gab ich zu bedenken, dass mich die Arbeit umbringt, dass ich nicht mehr lange genug leben würde, um Mia und Karl wieder in die Arme zu schließen… Ach, er ist grausam. Er wollte nicht auf mich hören.«
    »Erzählen Sie mir mehr über den Boten«, sagte der Junge

Weitere Kostenlose Bücher