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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Honorius machte soeben die Erfahrung, dass sein Einzug in Gladstones Gebeine den Nachteil hatte, dass er die Gestalt nicht wechseln konnte. Jeder vernünftige Afrit hätte sich spätestens jetzt Flügel wachsen lassen und zum Sturzflug angesetzt, aber ohne ein Sims oder ein angrenzendes Dach zum Draufspringen war das Gerippe ziemlich aufgeschmissen. Bestimmt überlegte es fieberhaft, wie es weiter vorgehen sollte.
    Ich dagegen, Bartimäus, brauchte nicht lange zu grübeln. Millimeter für Millimeter kroch ich im Seitwärtsgang erst über die Scheibe und dann über die Hauswand bis an die Ecke des Gebäudes. Dort kletterte ich wieder senkrecht nach oben und spähte über das Geländer. Das Gerippe beugte sich immer noch bedenklich weit vor. Von hinten sah es längst nicht so bedrohlich aus wie von vorn. Seine Hose war zerfetzt und zerrissen und hing so katastrophal auf Halbmast, dass sich mir zwangsläufig ein Ausblick auf sein Steißbein bot.
    Wenn es bloß noch ein Momentchen länger in dieser Stellung verharrte…
    Der Kobold schwang sich aufs Dach, wurde wieder zum Wasserspeier und schlich sich mit ausgestreckten Händen von hinten an das Gerippe an.
    Ausgerechnet jetzt wurde meine Strategie durch das überraschende Eingreifen von Vogel und Orang-Utan (Letzterer hatte sich inzwischen orangefarbene Flügel zugelegt) zunichte gemacht. Sie stießen vor der nicht vorhandenen Nase des Gerippes vom Himmel herab, und jeder feuerte im Flug eine Ladung Magie ab, eine Detonation und ein Inferno, um präzise zu sein. Die beiden Kraftblitze erwischten das Gerippe voll und warfen es rücklings aufs Dach. Mit jener Geistesgegenwart, die mein Markenzeichen ist, verwarf ich meine ursprüngliche Taktik und stand meinen Genossen bei, wobei ich mich der Abwechslung halber für einen gut gezielten Schüttelkrampf entschied. Zuckende schwarze Riemen legten sich um das Gerippe und sollten es so lange durchschütteln, bis es auseinander fiel, doch unser Gegner sprach nur ein Wort, stampfte mit dem Fuß, und alle drei Attacken ließen von ihm ab und lösten sich spurlos auf.
    Vogel, Orang-Utan und Wasserspeier wichen jeder für sich ein Stück zurück. Das gab bestimmt Stunk.
    Gladstones Schädel drehte sich knarrend und sagte zu mir: »Was glaubst du wohl, warum mein Herr ausgerechnet mich erwählt hat, in seinen Gebeinen zu hausen? Ich bin Honorius, ein Afrit der neunten Ebene, niedere Dschinn können mir nichts anhaben. Und jetzt lasst mich gefälligst in Ruhe!« Grüne Kraftstrahlen sprühten aus seinen Fingerspitzen, der Wasserspeier stürzte sich vom Dach, Vogel und Orang-Utan setzten ihren Sturzflug fort.
    Das Gerippe sprang auf ein tiefer gelegenes Dach und hüpfte heiter seines Weges. Die drei Dschinn hielten im freien Fall Kriegsrat.
    »Dieses Spielchen gefällt mir überhaupt nicht«, sagte der Orang-Utan.
    »Mir auch nicht«, meinte der Vogel. »Ihr habt es ja gehört, er ist unverwundbar. Ich kann mich noch an die Geschichte im alten Siam erinnern. Der eine Afrit des Königs, der…«
    »Gegen Silber ist er nicht immun«, unterbrach ihn der Wasserspeier. »Hat er mir selber gesagt.«
    »Schon. Aber wir auch nicht«, wehrte der Orang-Utan ab. »Von Silber krieg ich Fellausfall.«
    »Wir brauchen ja nicht damit in Berührung zu kommen, oder? Kommt mal mit.«
    Der Sturzflug auf die Hauptverkehrsstraße unter uns verursachte einen kleinen Unfall, als uns ein Lastwagenfahrer erblickte und daraufhin von der Fahrbahn abkam. Unerfreulich, aber es hätte schlimmer kommen können. 70
(Der Laster, der mit einer Ladung Melonen unterwegs war, raste ins Schaufenster eines Fischladens, worauf sich eine Lawine aus Eis und Heilbutt auf den Bürgersteig ergoss. Die Klappe des Lasters ging auf, die Melonen purzelten auf die Straße und nahmen, da selbige ziemlich abschüssig war, ordentlich Geschwindigkeit auf. Etliche Fahrräder wurden umgeworfen oder in den Rinnstein befördert, bevor die Melonen am Fuß des Abhangs von einem Geschäft mit Glaswaren aufgehalten wurden. Die wenigen Passanten, denen es gelang, den rollenden Geschossen auszuweichen, wurden anschließend von einer Horde Straßenkatzen umgerissen, die aus allen Himmelsrichtungen in wilder Jagd dem Fischladen zustrebten. )
    Der Affe bremste pikiert. »Was ist denn mit dem los? Hat der noch nie einen Orang-Utan gesehen?«
    »Wahrscheinlich noch keinen mit Flügeln. Ich schlage vor, wir verwandeln uns auf der ersten Ebene in Tauben. Aber jetzt brecht uns bitte erst mal drei von

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