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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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entkommen war. Hinter jeder Ecke wartete sie eine halbe Minute, wie sie es beim Widerstand gelernt hatte, dann spähte sie noch einmal in die Richtung, aus der sie gekommen war. Kein einziges Mal entdeckte sie irgendwelche Verfolger, sah lediglich friedliche Häuser, flackernde Laternen und stille, von Bäumen gesäumte Straßen. Die Stadt schien nichts von ihr und ihrer Misere zu ahnen, Mond und Sterne leuchteten gleichgültig auf sie herab. Sie war ganz allein in der dunklen Nacht, nicht einmal eine Wachkugel kreuzte über ihrem Kopf.
    Ihre Schritte machten kaum ein Geräusch, als sie im Dauerlauf durch die Straßen trabte und sich dabei immer an den Häuserwänden hielt.
    Auch sonst hörte sie kaum etwas: Einmal brummte ein Auto durch eine Nebenstraße, einmal vernahm sie von fern eine Sirene und einmal quäkendes Babygeschrei aus einem hoch gelegenen Fenster.
    In der linken Hand hielt sie immer noch den Stab.
    In ihrem ersten Versteck, dem verfallenen Keller eines Mietshauses, noch in Sichtweite der Kathedralentürme, hätte sie ihn beinahe unter einem Gerümpelhaufen versteckt. Aber so wertlos er war – der geheimnisvolle Unbekannte hatte gemeint, man könne ihn allenfalls zum Mückenvertreiben benutzen –, es war immerhin das einzige Stück, das sie aus dem Grauen gerettet hatte. Sie konnte ihn nicht einfach irgendwo liegen lassen.
    Sie verweilte ein paar Minuten in dem Keller, verbot sich aber einzuschlafen, denn das konnte böse Folgen haben. Außerdem fürchtete sie sich vor den Bildern, die sie womöglich vor sich sähe, sobald sie die Augen schloss.
    In tiefster Nacht lief Kitty an der Themse entlang nach Osten bis zur Southwark Bridge. Jetzt kam der riskanteste Wegabschnitt. Auf der Brücke war sie von überall zu sehen und dann hatte sie auch noch den Stab dabei! Von Stanley wusste sie, dass sich magische Artefakte jenen, die dafür empfänglich waren, durch ihre Aura offenbarten. Sie vermutete, dass Dämonen ihr Mitbringsel schon von weitem bemerken würden. Deshalb wartete sie eine ganze Weile im Gebüsch neben der Brücke, bis sie genug Mut aufbrachte, um hinüberzurennen.
    Im ersten Morgenlicht lief Kitty durch einen niedrigen Torbogen in den kleinen Hof, unter dem der geheime Waffenkeller lag. Ihr war kein anderer Zufluchtsort eingefallen, wo sie sich ohne große Umstände verkriechen konnte, und sie musste sich dringend ungestört ausruhen. Ihre Füße waren wie Blei, aber vor allem fing sie an, sich einzubilden, dass sich irgendwo jemand bewegte und ihr auflauerte, und bekam jedes Mal einen Schreck. In den Laden konnte sie sich nicht flüchten, so viel stand fest, jetzt da Mr Pennyfeather (sie sah es lebhaft vor sich) irgendwo gut sichtbar hingelegt worden war, damit ihn die Behörden auch ja fanden. Ihre eigene Wohnung aufzusuchen, war genauso wenig ratsam (Kitty verbiss sich lieber sofort wieder in praktische Überlegungen), denn die Zauberer würden bestimmt den Laden durchsuchen, ihre Adresse herausfinden und eine Hausdurchsuchung anordnen.
    Ohne hinzusehen, holte sie den Kellerschlüssel aus seinem Versteck, ohne hinzusehen, schloss sie die Tür auf. Im Dunkeln tastete sie sich durch die gewundenen Kellergänge, bis sie in den eigentlichen Waffenkeller kam, wo es immer noch aus dem Rohr an der Decke in den überlaufenden Eimer tropfte. Dort ließ sie den Stab einfach fallen, legte sich daneben auf den harten Betonboden und schlief ein.
    Sie erwachte im Dunkeln und blieb noch eine ganze Weile steif und frierend liegen. Dann stand sie auf, tastete über die Wand und knipste die einsame Glühbirne an. Der Keller sah nicht anders aus als am Vortag, als sie dort nachmittags mit den anderen trainiert hatte. Nick hatte sich im Messerkampf geübt, Fred und Stanley hatten Scheiben geworfen. Dort, wo Freds Scheibe den Balken getroffen hatte, sah man noch die Kerben. Und wozu das alles?
    Kitty hockte sich vor den Holzstapel, legte die Hände in den Schoß und starrte an die Wand. Ihr Kopf war jetzt etwas klarer, allerdings war ihr vor Hunger ein wenig flau. Sie holte tief Luft und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was sie als Nächstes tun musste. Das war nicht einfach, denn nichts war mehr wie zuvor.
    Seit über drei Jahren hatte sie ihre körperlichen und geistigen Kräfte ausschließlich der Widerstandsbewegung gewidmet, und jetzt, in einer einzigen Nacht, war das alles wie von einem Sturm hinweggefegt. Natürlich war die Truppe auch in ihren besten Zeiten eine ziemlich brüchige

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