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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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hatte noch Myriaden anderer unglaublich gescheiter Gedanken, mit denen ich eure hübschen kleinen Köpfchen nicht belasten möchte, aber ihr könnt mir glauben, sie waren geradezu genial! )
auf der Schulter war ein Brandfleck, und eine Manschette war so zerfetzt, als sei sie scharfen Klauen zum Opfer gefallen. Hätte mein Herr dieses Ensemble in einer Mailänder Boutique entdeckt, hätte er dafür bestimmt viel Geld hingeblättert, für einen anständigen Afriten dagegen war es ein reichlich zerlumpter Auftritt. Die Knochen unter dem Stoff hingegen schienen noch komplett, auch die Gelenke waren so leichtgängig wie frisch geschmiert.
    Das Gerippe betrachtete die Koboldtruppe mit schief gelegtem Schädel. Wir hielten jäh in unserer Rauferei inne und verharrten stocksteif mit offenen Mäulern. Das Gerippe ergriff das Wort.
    »Seid ihr da am Brüten?«
    »Nein«, antwortete ich. »Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.«
    »Ich meine eure Anzahl. Vorhin waren doch nur noch zwei von euch übrig.«
    »Ich bin die Verstärkung«, erklärte ich. »Die beiden haben mich gerufen, damit ich dich kennen lernen und reden hören kann. Und natürlich, damit ich mich von dir auffressen lassen kann.«
    Das Gerippe drehte eine Pirouette auf dem Geländer. »Nein, wie reizend!«, rief es fröhlich. »Ein echtes Kompliment für meine Schönheit und Redegewandtheit! Ihr Kobolde seid eben doch klüger, als ihr ausseht.«
    Ich warf einen Seitenblick auf Tibbet und seinen Freund, die immer noch mit sperrangelweit aufgerissenen, sabbernden Mäulern dastanden. Gegen die beiden waren Kaninchen im Scheinwerferlicht wahre Helden! »Dafür würde ich die Hand lieber nicht ins Feuer legen.«
    In Würdigung meines geistreichen Humors stieß das Gerippe ein trillerndes Kichern aus und führte mit schlenkernden Armen spontan einen kleinen Stepptanz auf. Etwa fünfzig Meter hinter ihm erspähte ich die beiden anderen Dschinn, die sich wie zwei kleinkriminelle Halbwüchsige hinter einem Schornstein versteckten und sich das kleine Intermezzo von weitem zu Gemüte führten. 66
(Der eine war mein Freund von der Massenbeschwörung, der stelzbeinige Vogel. Der andere sah aus wie ein schmerbäuchiger Orang-Utan. Mit anderen Worten, beides bewährte, traditionelle Erscheinungsformen, die es zweifellos nicht darauf angelegt hatten, sich mit einem Haufen verschimmelter Knochen rumzuärgern. )
So gesehen hatten wir den seligen Gladstone so gut wie umzingelt.
    »Du scheinst ja richtig guter Laune zu sein«, konstatierte ich.
    »Warum auch nicht?« Das Gerippe machte ein paar letzte Stepp-schritte und ließ dazu die Knochenfinger wie Kastagnetten klappern. »Ich bin frei!«, rief es. »Frei wie ein Vogel – vogelfrei! Klingt das nicht hübsch?«
    »Ja… sehr hübsch.« Der Kobold kratzte sich mit der Schwanzspitze am Kopf. »Aber du bist immer noch in dieser Welt gefangen«, gab ich zu bedenken. »Zumindest scheint es mir von hier aus gesehen so zu sein. Demnach bist du nicht richtig frei, oder? Richtig frei bist du erst, wenn du deine Fesseln gesprengt hast und wieder heimkannst.«
    »Das habe ich mir auch immer gesagt, als ich noch in dieser muffigen Gruft lag«, erwiderte das Gerippe. »Aber jetzt nicht mehr. Sieh mich an! Ich gehe, wohin ich will, ich kann tun und lassen, was ich will! Wenn ich Lust habe, mir die Sterne anzuschauen, kann ich sie so lange anschauen, wie ich mag. Wenn ich Lust habe, im Park spazieren zu gehen – kein Problem! Wenn ich Lust habe, mir einen alten Mann zu schnappen und ihn kopfüber in den Fluss zu werfen – bitte sehr! Alles ruft mir zu: Komm her, Honorius, tu, wonach dir der Sinn steht! Das, mein kleiner Kobold, das nenne ich Freiheit, verstehst du?«
    Damit stürzte es auf mich los, die Finger zuckten krampfhaft und in den leeren Augenhöhlen hinter der Maske flackerte es plötzlich rot und mordlustig. Ich sprang erschrocken zurück. Daraufhin wurde das rote Flackern schwächer und das Gerippe bewegte sich wieder ganz locker und ungezwungen. »Sieh dir diesen Sonnenuntergang an!«, seufzte es wie im Selbstgespräch. »Wie Blut auf Schmelzkäse.«
    »Ein sehr poetischer Vergleich«, pflichtete ich ihm bei. Die beiden Kobolde lagen ganz richtig, der Afrit war total durchgeknallt. Aber durchgeknallt oder nicht, es gab noch ein paar ungelöste Fragen. »Nichts für ungut, Herr Knochenmann«, sagte ich, »als schlichter Kobold von beschränktem Verstand möchte ich Sie ersuchen, mich über eines aufzuklären. Stehen Sie

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