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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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hätte er gemerkt, dass ich nur auf den ersten drei Ebenen ein Kobold war. Auf den höheren war ich mit Glanz und Gloria Bartimäus.)
Trotzdem, an dem, was du sagst, ist was dran. Ich bin tatsächlich einzig in meiner Art. So unglücklich ich einst war, in den langen, langen Jahren in Gladstones dunkler Gruft, so bin ich jetzt der Glücklichste unter den Afriten. Und deshalb ziehe ich nun durch die Lande und nehme nach Belieben an Menschen und Geistern Rache. Ist mein Rachedurst eines Tages gestillt, kehre ich vielleicht zum Anderen Ort zurück – aber jetzt noch lange nicht!« Wieder stürzte es auf mich los. Ich schlug einen Purzelbaum rückwärts und entging den Knochenhänden mit knapper Not, hing allerdings mit dem Hintern gefährlich über dem Geländer.
    »Dann macht es dir also nichts aus, dass du den Stab verloren hast?«, sagte ich rasch und machte den beiden Dschinn auf dem Nachbardach hektisch Schwanzzeichen. Es war an der Zeit, Honorius und seinem Größenwahn Einhalt zu gebieten. 68
(Ich muss gestehen, sein wildes Treiben war in gewisser Hinsicht nicht uninteressant. Seit undenklichen Zeiten leiden wir Geister, vom brutalsten Mariden bis hin zum mickrigsten Kobold, unter der teuflischen Kombination aus Unterwerfung plus Schmerzen. Wir müssen den Zauberern gehorchen und obendrein tut es noch weh. Durch Gladstones letzte Verfügung schien Honorius eine Möglichkeit gefunden zu haben, diesem grausamen Dilemma zu entkommen. Leider hatte er dabei den Verstand verloren. Wer will schon lieber auf der Erde bleiben statt heimzukehren?)
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich der Orang-Utan unter den Achseln kratzte. Entweder wollte er mir damit heimlich bedeuten, dass die Rettung nicht mehr fern war, oder er hatte gar nicht hergesehen.
    »Der Stab…«, wiederholte das Gerippe mit funkelnden Augen. »Doch, mich zwickt ein bisschen das Gewissen. Aber was soll’s? Den hat bestimmt diese Kitty eingesteckt. Sie ist hier in London und früher oder später kriege ich sie.« Seine Stimmung hellte sich auf: »Genau… und habe ich mir erst mal den Stab zurückgeholt, wer weiß, was ich dann noch alles anstelle? Jetzt bleib mal stehen, damit ich dich fressen kann.«
    Es streckte beiläufig die Hand nach mir aus und rechnete offenbar nicht mit irgendwelchem Widerstand. Die anderen Kobolde hatten anscheinend einfach stillgehalten und sich ergeben in ihr Schicksal gefügt, Entschlossenheit war noch nie ihre Stärke gewesen. Bartimäus aber war aus anderem Holz geschnitzt, wie Honorius erfahren sollte. Ich hüpfte auf ihn zu, in seine ausgestreckten Arme, sprang dann aus dem Stand in die Höhe und über den scheußlichen weißen Schädel hinweg und riss ihm dabei die Totenmaske herunter. 69
(Dabei waren mir meine sechs Koboldfinger nützlich, denn sie hatten kleine Saugnäpfe an den Spitzen.)
    Sie löste sich ganz leicht, wurde nur von ein paar schmutzig weißen Haarsträhnen gehalten. Honorius stieß einen verblüfften Schrei aus und fuhr mit entblößtem Totenkopf herum. »Gib das wieder her!«
    Der Kobold hüpfte übers Dach. »Die brauchst du nicht mehr«, rief ich über die Schulter. »Die hat deinem Herrn gehört und der ist tot. Igittigitt! Gute Zähne hatte er nicht grade, was? Sieh dir den hier an, der hängt ja nur noch an einem Faden!«
    »Gib mir mein Gesicht zurück!«
    »Dein Gesicht? So was sagt ein braver Afrit nicht! Hoppla, jetzt ist mir das Ding doch glatt aus der Hand gerutscht. Manchmal bin ich echt ungeschickt!« Ich schleuderte die Maske mit aller Kraft wie ein goldenes Frisbee in die Tiefe.
    Das Gerippe stieß ein Wutgebrüll aus und schickte in rascher Folge drei Detonationen in meine Richtung, dass es nur so zischte. Der Kobold hüpfte, sprang und duckte sich, wich nach oben, nach unten, nach links und rechts aus, bis er sich schließlich übers Geländer schwang, wo ich mich mit meinen Saugnäpfen an die nächstbeste Fensterscheibe klebte.
    Von dort aus winkte ich noch einmal den beiden Dschinn, die hinter dem Schornstein hervorspitzten, und pfiff, so schrill ich konnte. Anscheinend war Honorius’ gekonnte Handhabung der Detonationen Ursache ihres Zögerns gewesen; ich war erleichtert, als sich Stelzvogel und widerstrebend auch Orang-Utan endlich rührten.
    Das Gerippe stand über mir an der Dachkante, und ich hörte, wie es sich quietschend die Halswirbelsäule nach mir verrenkte. Dabei mahlte und knirschte es zornig mit den Zähnen. Ich zog den Bauch ein und drückte mich an die Scheibe.

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