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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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vertrauten Straßen unweit ihres Elternhauses erreichte, wurde es bereits dunkel. Inzwischen war sie müde und hungrig und die Füße taten ihr weh. Bis auf ein paar Äpfel, die sie in einem Lebensmittelladen hatte mitgehen lassen, hatte sie den ganzen Tag nichts gegessen. In Gedanken schmeckte sie die von ihrer Mutter zubereiteten Gerichte auf der Zunge, dachte sehnsüchtig an ihr Kinderzimmer mit dem gemütlichen kleinen Bett und dem Kleiderschrank, dessen Tür nicht richtig schloss. Wann hatte sie zuletzt dort geschlafen? Es musste Jahre her sein. Wie gern würde sie sich jetzt in ihr altes Bett kuscheln und wäre es nur für eine Nacht.
    Es dämmerte, als sie in ihre alte Straße einbog, und sie verlangsamte unwillkürlich ihren Schritt, je näher sie ihrem Elternhaus kam. Als sie sah, dass im Wohnzimmer Licht brannte, entfuhr ihr ein erleichterter Seufzer, gleichzeitig verspürte sie eine gewisse Beklommenheit. Ihre Mutter durfte auf keinen Fall Verdacht schöpfen, dass etwas nicht in Ordnung war, jedenfalls nicht, bevor Kitty Muße gehabt hatte, sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen sollte. Im Fenster des Nachbarhauses inspizierte sie ihr Spiegelbild, strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht und klopfte sich notdürftig die Kleider ab. Die Hände mussten schmutzig bleiben und die dunklen Augenringe konnte sie auch nicht vertuschen. Sie seufzte resigniert. Besonders überzeugend sah sie nicht aus, aber es musste genügen. Sie ging zur Haustür und betätigte den Klopfer. Der Schlüssel lag noch in ihrer Wohnung.
    Es kam so lange niemand, dass Kitty noch einmal klopfte, dann erschien in der Diele ein wohlbekannter schmaler Schatten und glitt zögerlich heran, als wäre er unschlüssig, ob er öffnen sollte. Kitty pochte an die Scheibe. »Mama! Ich bin’s!«
    Der Schatten schwebte zaghaft näher. Die Mutter öffnete die Tür einen Spalt und spähte nach draußen. »Ach, Kathleen«, sagte sie dann.
    »Hallo, Mama!«, sagte Kitty und rang sich ein Lächeln ab. »Entschuldige, dass ich so unangemeldet aufkreuze.«
    »Ach so. Ja.« Ihre Mutter machte die Tür nicht weiter auf und sah Kitty erschrocken und ein wenig misstrauisch an.
    »Stimmt was nicht, Mama?«, fragte Kitty, zu müde, um sich groß darüber zu wundern.
    »Nein, nein. Alles in Ordnung.«
    »Darf ich nicht reinkommen?«
    »Aber doch… natürlich.« Die Mutter trat beiseite und ließ Kitty ein, hielt ihr flüchtig die Wange zum Begrüßungsküsschen hin und schloss sorgfältig die Tür hinter ihr.
    »Wo ist Papa? In der Küche? Ich weiß, es ist schon spät, aber ich hab schrecklichen Hunger.«
    »Wir gehen lieber erst ins Wohnzimmer, Schätzchen.«
    »Na gut.« Kitty ging durch den Flur in den kleinen Wohnraum. Dort sah es aus wie immer, der verblichene, zerschlissene Teppich, der kleine Spiegel überm Kamin, das alte Sofa und der Sessel, beides Erbstücke von ihrem Großvater väterlicherseits, mit ihren gehäkelten Schondeckchen. Auf dem kleinen Beistelltisch standen eine dampfende Teekanne und drei Tassen. Auf dem Sofa saß ihr Vater. Im Sessel gegenüber saß ein junger Mann.
    Kitty blieb betroffen stehen. Die Mutter schloss leise die Wohnzimmertür.
    Der junge Mann blickte lächelnd auf, und Kitty fühlte sich sofort an Mr Pennyfeather erinnert, als er die Schätze im Sarkophag erspäht hatte. Auch er hatte so ein frohlockendes Gesicht gemacht, dem man zugleich ansah, dass er seine Gier nur mit Mühe bezähmte.
    »Hallo, Kitty«, grüßte der junge Mann.
    Kitty erwiderte den Gruß nicht. Sie wusste sehr gut, wer das war.
    »Kathleen«, sagte ihr Vater so leise, dass man ihn kaum verstand, »das ist Mr Mandrake. Von… von der Abteilung für Innere Angelegenheiten, nicht wahr?«
    »Ganz recht«, bestätigte Mr Mandrake freundlich.
    »Er möchte…«, der Vater zögerte, »er möchte dir ein paar Fragen stellen.«
    »O Kathleen!«, schluchzte die Mutter plötzlich, »was hast du bloß getan?«
    Kitty schwieg immer noch. In der Jacke hatte sie noch eine Wurfscheibe, sonst war sie unbewaffnet. Sie schielte zum Fenster hinüber. Die Vorhänge waren zugezogen. Das Fenster ließ sich nach oben aufschieben, sie konnte hinausklettern… falls ihr Vater den Riegel inzwischen geölt hatte. Zur Not konnte sie es auch einwerfen, zum Beispiel mit dem Beistelltisch. Dann gab es noch die Diele, von der weitere Zimmer abgingen, aber ihre Mutter stand direkt vor der Tür…
    Der junge Mann zeigte aufs Sofa. »Möchten Sie nicht Platz nehmen, Miss

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