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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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sie. »Glaubst du im Ernst, ich fürchte mich vor einem zu groß geratenen Suppenhuhn?«
    Diese Rotzgöre! »Der edle Vogel Rock«, entgegnete ich gekränkt, aber würdevoll, »ist nicht meine einzige Gestalt, sondern eine unter hunderttausenden. Zum Beispiel…« Der Rock richtete sich hoch auf, und ich verwandelte mich in rascher Folge von einem grimmigen rotäugigen Minotaurus mit Schaum vorm Maul erst in einen steinernen, zähnebleckenden Wasserspeierdämon, dann in eine Gift speiende, zornig zischende Schlange, ein heulendes Gespenst, einen Wiedergänger, einen schwebenden Aztekenschädel mit glühenden Augenhöhlen… Ein buntes Sammelsurium ausgesprochen schauriger Erscheinungsformen, 80
(Wenn auch nicht sonderlich originell. Ich war müde und nicht ganz auf der Höhe.)
wenn ihr mir ein kleines Eigenlob erlaubt. »Nun?«, erkundigte sich der Schädel vielsagend, »was sagst du dazu?«
    Sie schluckte hörbar. »Nicht übel«, sagte sie dann, »aber alles ein bisschen großkotzig. Geht’s auch raffinierter?«
    »Was denkst du denn!«
    »Aber so richtig klein, das kriegst du bestimmt nicht hin, so klein…
    sagen wir mal… dass du in die Flasche da drüben passt.« Sie zeigte auf den Hals einer Bierflasche, die aus einem Abfallhaufen ragte, schielte aber dabei mit einem Auge zu mir herüber.
    Nein, wie niedlich! Dieser uralte Trick schon wieder! Wer da einmal drauf reingefallen ist, der ist für alle Zeiten bedient. Der Schädel wiegte sich grinsend hin und her. 81
(Eigentlich grinste er die ganze Zeit, denn Grinsen gehört zu den wenigen Dingen, die Schädel richtig gut draufhaben.)
»Gut gemeint, aber das hat bei mir schon in grauer Vorzeit nicht gezogen. 82
(Man kennt das ja: Der schlaue Sterbliche überredet den Dschinn, sich in eine Flasche (oder ein anderes enges Behältnis) zu zwängen, dann macht er den Stöpsel drauf und lässt den Gefangenen erst wieder raus, wenn der sich dazu verpflichtet, ihm drei Wünsche zu erfüllen, und so weiter und so fort. Ha! Ha! Ha! So unwahrscheinlich es auch klingt, wenn der Dschinn aus freien Stücken in die Flasche schlüpft, sitzt er tatsächlich ziemlich übel in der Falle. Aber heutzutage fällt nicht mal mehr der verpennteste Kobold auf diese olle Kamelle rein.)
Und jetzt würde ich dir raten, dich hinzusetzen und ein bisschen auszuruhen. Du siehst hundemüde aus.«
    Das Mädchen schniefte, zog eine Schnute und verschränkte die Arme, was nicht ganz schmerzfrei abging. Ich merkte, dass sie sich verstohlen nach Fluchtmöglichkeiten umsah.
    »Und keine faulen Tricks«, riet ich ihr, »sonst schlag ich dir mit einem Dachbalken den Schädel ein.«
    »Den nimmst du dann zwischen die Zähne, oder wie?« Schon wieder dieser verächtliche Ton!
    Sofort verblasste der Schädel und wurde zu Ptolemäus. Ich dachte gar nicht groß darüber nach, der Junge war einfach schon immer meine Lieblingserscheinungsform, 83
(Nennen wir es eine Anerkennung für alles, was er für mich getan hat. )
aber sie erschrak sichtlich und wich einen Schritt zurück. »Ach, du bist das! Der Dämon von damals!«
    »Reg dich ab. Das kannst du mir nun wirklich nicht ankreiden. Schließlich habt damals ihr michüberfallen.«
    »Stimmt. Da hätte mich die Nachtpolizei auch beinah erwischt.«
    »Du solltest halt vorsichtiger sein. Wozu wolltet ihr das Amulett von Samarkand eigentlich haben?«
    Das Mädchen sah mich verdutzt an. »Das was? Ach, den Schmuck! Der war doch magisch, oder nicht? Damals hat unsere Gruppe magische Gegenstände geklaut, das ist alles. Wir haben die Zauberer beklaut und den Kram selber benutzt. Mann, waren wir blöd!« Sie trat gegen einen Ziegel. »Aua!«
    »Darf ich daraus schließen, dass ihr diese Taktik inzwischen nicht mehr verfolgt?«
    »Wohl kaum. Schließlich sind alle tot.«
    »Bis auf dich.«
    Ihre Augen blitzten auf. »Glaubst du im Ernst, ich überlebe diese Nacht?«
    Ein Punkt für sie. »Man kann nie wissen«, sagte ich leutselig. »Schon möglich, dass mein Herr dich am Leben lässt. Immerhin hat er dich vor den Wölfen gerettet.«
    Sie schnaubte verächtlich. »Dein Herr? Hat der auch einen Namen?«
    »Man kennt ihn als John Mandrake.« Mein Schwur verbot mir, mehr zu sagen.
    »Der? Dieser eingebildete Heini?«
    »Ach, ihr seid euch schon mal begegnet?«
    »Schon zwei Mal. Und beim letzten Mal hab ich ihm eins auf die Glocke gegeben.«
    »Echt? Kein Wunder, dass er davon nichts erzählt hat.« Die Kleine wurde mir immer sympathischer. Sie war richtig

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