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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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tauchten das Dach in schwärzeste Schatten. Obendrein stieß ich noch den Furcht erregenden Schrei des Vogel Rock aus, mit dem er auf die Elefanten niederstößt und ihre Jungen raubt. 77
(Vorwiegend indische Elefanten. Die Riesenvögel lebten auf entlegenen Inseln im Indischen Ozean und tauchten nur über dem Festland auf, wenn sie auf Nahrungssuche waren. Ihre Nester waren einen Hektar groß, ihre Eier riesige weiße Kuppeln, die man vom Meer aus weithin leuchten sah. Die ausgewachsenen Exemplare waren gefürchtete Gegner und versenkten die meisten Schiffe, die ausgesandt wurden, ihre Brutstätten zu plündern, indem sie aus großer Höhe Steine darauf fallen ließen. Die Kalifen zahlten hohe Summen für Rockfedern, die man den schlafenden Tieren heimlich von der Brust schneiden musste. )
    Ich erzielte die erhoffte Wirkung. Ein Wolf machte mit gesträubtem Fell einen Satz rückwärts und flog jaulend übers Geländer. Der zweite bäumte sich auf, fing sich einen Klauenhieb in die Magengrube ein, sauste wie ein flauschiger Fußball durch die Luft und landete scheppernd hinter dem nächsten Schornstein.
    Der dritte stand wie die Karikatur eines Menschen aufrecht und war ein bisschen pfiffiger. Das plötzliche Auftauchen des Riesenvogels hatte auch das Mädchen überrumpelt. Sie bestaunte mit offenem Mund mein herrliches Gefieder und ließ unwillkürlich die Messer sinken. Ohne einen Laut von sich zu geben, sprang der Wolf sie an.
    Seine Zähne schlugen so heftig aufeinander, dass es Funken sprühte. Muss ganz schön wehgetan haben.
    Das Mädchen schwebte da schon im Griff meiner Klauen meterhoch über ihm und entschwand rasch. Das Haar wehte ihr ins Gesicht, die Beine baumelten über den immer kleiner werdenden Dächern und dem Chaos auf der Straße. Das wütende, enttäuschte Geheul verklang, dann waren wir allein und meine Schwingen trugen uns fürsorglich in friedlicher Stille über das Lichtermeer der Stadt.
    »Aua! Das ist mein Bein! Autsch! He, das ist Silber! Lass das!«
    Das Mädchen stach mit dem Messer nach meinen schuppigen Zehen. Ja, war das noch zu fassen? Eben diese Zehen bewahrten sie schließlich vor dem tödlichen Sturz auf die rußigen Schlote Ostlondons. Also so was! Ich wies sie mit meinem üblichen Taktgefühl darauf hin.
    »Du brauchst hier gar nicht ausfallend zu werden, Dämon«, erwiderte sie und stellte ihr Gepiekse einen Augenblick ein. Durch den brausenden Wind klang ihre Stimme hoch und dünn. »Außerdem ist mir sowieso alles egal. Ich will tot sein.«
    »Ich wäre dir da wirklich liebend gern behilflich, aber… Hör gefälligst auf damit!« Ein stechender Schmerz und wieder wurde mir ganz schwindlig. So geht es unsereinem immer, wenn wir mit Silber in Berührung kommen. Es hätte nicht viel gefehlt und wir wären beide abgestürzt. Ich schüttelte die Kleine durch, bis ihr die Zähne klapperten und die Messer aus den Händen fielen, aber sie gab immer noch keine Ruhe, sondern wand sich wie ein Aal, um sich aus meinen Klauen zu befreien. Der Rock packte fester zu. »Hörst du wohl endlich mit dem Gezappel auf, Mädchen? Ich lass dich sowieso nicht fallen, aber wenn du nicht sofort still hältst, häng ich dich kopfüber in den Schornstein einer Gerberei.«
    »Mir doch egal!«
    »Oder ich tunk dich in die Themse.«
    »Mir doch egal!«
    »Oder ich flieg mit dir nach Rotherhithe zum Klärwerk.«
    »Mir egal, mir egal! Ist mir alles scheißegal!« Sie schien vor Wut und Kummer ganz von Sinnen zu sein, und trotz meiner legendären Kräfte hatte ich ordentlich Mühe, sie festzuhalten.
    »Kitty Jones«, sagte ich, ohne die Lichter Nordlondons aus den Augen zu lassen, denn wir näherten uns unserem Ziel, »willst du denn Jakob Hyrnek gar nicht wieder sehen?«
    Daraufhin wurde sie endlich still und nachdenklich, hing schlaff in meinen Klauen und wir flogen eine Weile in segensreichem Schweigen dahin. Ich nutzte die Atempause, indem ich einen weiten Bogen flog und nach uns eventuell verfolgenden Kugeln Ausschau hielt. Aber alles war in Ordnung.
    Irgendwo unter meinem Brustbein ertönte eine Stimme. Sie klang etwas ziviler als zuvor, hatte aber nichts von ihrem Temperament eingebüßt. »Sag mal, Dämon, warum hast du mich eigentlich vor den Wölfen gerettet? Ich weiß doch, dass du und dein Herr mich sowieso töten wollt.«
    »Es ist mir nicht gestattet, mich dazu zu äußern«, erwiderte der Vogel Rock. »Aber du kannst dich gern bei mir bedanken.«
    »Bringst du mich jetzt zu Jakob?«
    »Ja.

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