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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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erfrischend. In all den Jahren meiner Versklavung bin ich nur selten in unbefangenen Kontakt mit Gewöhnlichen gekommen. Die Zauberer halten uns verständlicherweise sorgsam von allen Nichtmagiern fern. Die Zahl der Gewöhnlichen, mit denen ich mehr als ein paar Worte gewechselt habe, kann ich an den Klauen abzählen. Natürlich sind solche Unterhaltungen meist nicht besonders ergiebig. Genauso gut könnte sich ein Delfin mit einer Seeschnecke unterhalten. Aber es gibt Ausnahmen. Diese Kitty Jones war so eine Ausnahme. Ihre Art imponierte mir.
    Mit einem Fingerschnipsen erzeugte ich eine kleine Illumination, die ins Dachgebälk hinaufschwebte und sich dort niederließ. Dann zog ich aus dem Schutt ein paar Bretter und Gasbetonsteine und bastelte daraus eine Sitzgelegenheit. »Nimm Platz«, sagte ich, »mach’s dir bequem. So ist’s recht. Du hast John Mandrake also… eine gesemmelt?«
    »Genau. Das findest du offenbar lustig.« Es klang zufrieden.
    Ich unterdrückte meinen Lachanfall. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Merkwürdig, wo ihr doch beide gleich boshaft seid und du alle seine Befehle ausführen musst.«
    »Gleich boshaft? Ich weise darauf hin, dass es sich um ein reines Herr-und-Knecht-Verhältnis handelt! Ich bin ein Sklave! Ich habe keinerlei Mitspracherecht.«
    Sie schürzte verächtlich die Lippen. »Du befolgst nur seine Anweisungen, na klar. Tolle Rechtfertigung!«
    »Allerdings. Jedenfalls wenn eine Weigerung tödliche Folgen hat. Vielleicht solltest du mal am eigenen Leib ein Schrumpffeuer austesten, dann sehen wir ja, wie dir so was gefällt.«
    Sie verzog das Gesicht. »Ich finde, es klingt nach einer ziemlich fadenscheinigen Ausrede. Willst du damit sagen, dass du deine bösen Taten unfreiwillig begehst?«
    »Ganz so würde ich es vielleicht nicht ausdrücken, aber… im Prinzip ja. Unsereins ist den Zauberern untertan, vom kleinsten Kobold bis zum größten Afriten. Daran lässt sich nicht rütteln. Sie haben uns in ihrer Gewalt. Ich zum Beispiel muss jetzt Mandrake beistehen und ihn beschützen, ob mir das nun passt oder nicht.«
    »Du tust mir Leid.« Es klang sehr entschieden. »Du tust mir echt Leid!« Und tatsächlich, wenn ich mir selbst so zuhörte, ging es mir genauso. Wir Sklaven haben uns schon so an unsere Ketten gewöhnt, dass wir kaum noch darüber reden, 84
(Nur wenige wagen wie Faquarl den offenen (und vergeblichen) Aufstand. Aber sie reden schon seit Ewigkeiten so ausführlich und so oft darüber, ohne handfeste Ergebnisse vorweisen zu können, dass ihnen eigentlich niemand mehr richtig zuhört. )
und als ich hörte, wie resigniert ich klang, ging mir das richtig an die Substanz. Ich versuchte, meine Scham mit einem Schuss gerechter Empörung zu überspielen.
    »Aber wir wehren uns auch! Wir kriegen sie dran, wenn sie nicht aufpassen, und drehen ihnen das Wort im Munde herum. Wir stacheln sie so lange an, miteinander zu wetteifern, bis sie einander an die Gurgel gehen. Wir überhäufen sie mit Schätzen, bis ihr Leib feist und ihr Geist so träge wird, dass sie gar nicht mehr merken, dass es mit ihnen bergab geht. Wir tun, was wir können, und das ist mehr, als ihr Menschen zustande bringt, jedenfalls meistens.«
    Das Mädchen lachte heiser. »Was glaubst du wohl, was ich die ganzen Jahre versucht habe? Wir haben Behörden sabotiert, Artefakte geklaut, Unruhe gestiftet… aber es war von Anfang an aussichtslos. Ich hätte genauso gut Sekretärin werden können, wie es meine Mutter gern gehabt hätte. Meine Freunde sind entweder tot oder haben alle ihre Grundsätze vergessen und daran seid nur ihr Dämonen schuld! Und erzähl mir bloß nicht, dass dir dein Job keinen Spaß macht! Das Ungeheuer in der Gruft hat jeden einzelnen Augenblick genossen…« Ein krampfhafter Schauder schüttelte sie. Sie verstummte und rieb sich die Augen.
    »Tja, Ausnahmen bestätigen die Regel«, setzte ich an, ließ es aber dabei bewenden.
    Als wäre ein durchlöcherter Damm gebrochen, bebten die Schultern des Mädchens jetzt heftig, und der aufgestaute Kummer machte sich in einem Weinkrampf Luft. Dabei gab sie keinen Laut von sich, sondern stopfte sich die Faust in den Mund, um nicht herauszuschluchzen, als wollte sie mich nicht in Verlegenheit bringen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war mir ausgesprochen peinlich. Sie brauchte ziemlich lange, bis sie sich wieder beruhigte. Ich setzte mich in einiger Entfernung im Schneidersitz auf den Boden, wandte mich diskret ab und starrte vor mich

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