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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt haben. Gewöhnliche wie Sie, fähige Leute mit Mut und Köpfchen, können durchaus wichtige und sehr einflussreiche Regierungsämter bekleiden. Sie hätten jeden Tag Umgang mit bedeutenden Persönlichkeiten und würden in Staatsgeheimnisse eingeweiht, dass Ihnen davon schwindelig würde. Ihr tristes Leben hätte ein Ende, Sie hätten Einblick in die glorreiche Vergangenheit unseres Landes, als noch die Magierkaiser die Welt regierten, ja, Sie könnten sogar selbst in die Geschichte eingehen! Sobald die anstehenden Feldzüge gewonnen sind, wollen wir zum Beispiel in Amerika eine neue Kolonialregierung einrichten, und dafür werden fähige Männer und Frauen gesucht, die unsere Interessen vertreten. Es heißt, dort drüben gebe es riesige, herrenlose Ländereien, Miss Jones, Gegenden, wo nur wilde Tiere und ein paar Ureinwohner hausen. Stellen Sie sich das vor… Sie als vornehme Dame und Repräsentantin unseres Weltreichs…«
    Sie trat einen Schritt zurück, sodass seine Hand von ihrem Arm fiel. »Danke, aber ich glaube, das passt nicht zu mir.«
    Seine Miene verfinsterte sich. »Wie schade. Und was ist mit meinem ersten Angebot? Nehmen Sie es an?«
    »Erst möchte ich mit Jakob reden.«
    »Nur zu, da steht er.« Der Zauberer entfernte sich ein Stück und ich zog mich ebenfalls zurück. Das Mädchen trat dicht an Hyrnek heran.
    »Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«, raunte sie. »Du sagst ja gar nichts.«
    Der Foliot lockerte seinen Griff um Jakobs Hals, ließ aber mahnend die Klauen vor dem Gesicht des Jungen spielen. Jakob nickte schwach. »Es ist alles in Ordnung. Mir geht’s gut.«
    »Ich möchte Mr Mandrakes Angebot annehmen oder hast du irgendwelche Einwände?«
    Ein angedeutetes Lächeln. »Nein, nein, Kathleen, du kannst ihm ruhig vertrauen.«
    Sie zögerte, nickte und drehte sich um. »Also gut, Mr Mandrake, Sie wollen die Sache bestimmt bald hinter sich bringen. Wo steht Ihr Auto? Ich bringe Sie zu meinem Versteck.«
    Während der Fahrt spiegelte Nathanaels Gesicht in wildem Wechsel die unterschiedlichsten Gefühle wider; Aufregung, Anspannung und blanke Angst ergaben eine abstoßende Mixtur. Er konnte keine Minute still sitzen, rutschte auf seinem Sitz herum und sah immer wieder aus dem Seitenfenster auf die vorbeigleitenden Lichter der Stadt. Die Kleine behandelte er mit einer wirren Mischung aus übertriebener Höflichkeit und kaum verhohlener Geringschätzung, bedrängte sie mit Fragen und äußerte im nächsten Augenblick verschleierte Drohungen. Im Gegensatz dazu waren wir anderen ernst und schweigsam. Hyrnek und Kitty blickten stur geradeaus (Hyrnek immer noch mit dem Foliot um den Hals) und der Chauffeur auf der anderen Seite der Trennscheibe erhob den Zustand der Gleichmut zu einer Kunstform. 90
(Jeder Holzklotz mit Schirmmütze hätte lebendiger gewirkt. )
Ich selbst – mal abgesehen davon, dass ich aus Platzmangel gezwungen war, in Gestalt eines Meerschweinchens stoisch zwischen den Füßen des Mädchens zu kauern – gab mich wie immer würdevoll.
    Wir kamen im nächtlichen London rasch voran. Auf der Straße war nichts los, über den Dächern erloschen die ersten Sterne, bald würde der neue Tag anbrechen. Der Motor brummte einschläfernd. Über dem Wagendach und damit außerhalb von Nathanaels Blickfeld kurvten vier tänzelnde rote Lichter.
    Anders als mein Herr bewahrte das Mädchen Haltung. Mir kam der Gedanke, dass sie womöglich wusste, dass er sie hereinlegen wollte (mal ehrlich, um das zu erraten, benötigt man nicht unbedingt die überragende Intelligenz eines Dschinn), trotzdem fuhr sie ihrem Verhängnis ruhig und gelassen entgegen. Das Meerschweinchen wiegte bedauernd den Kopf. Mehr denn je bewunderte ich die Entschlossenheit und den Stolz der Kleinen. Aber solchen Luxus können sich nur Menschen leisten. Mir war in dieser Welt die Freiheit der Entscheidung leider nicht gegeben.
    Den Anweisungen des Mädchens folgend, hielten wir nach Süden, fuhren erst durch die Innenstadt, überquerten dann den Fluss und landeten in einer heruntergekommenen Gegend, in der sich kleine Handwerker und Händler angesiedelt hatten und wo hauptsächlich dreistöckige, ziemlich vernachlässigte Mietskasernen standen. Schon zu dieser Stunde waren Leute zur Frühschicht unterwegs. Wir fuhren an ein paar gelangweilten Halbafriten und einem stämmigen Botenkobold vorbei, der sich mit einem riesigen Paket abmühte, und bogen schließlich in eine schmale,

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