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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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lange scharf darauf, einen eigenen Diener zu besitzen. Zuerst hatte er es mit einem Troll versucht, der in einer gelben Schwefelwolke erschienen war. Nathanael hatte ihn zwar seinem Willen unterwerfen können, doch schon bald waren ihm seine Ticks und Grimassen unerträglich geworden und er hatte ihn wieder weggeschickt.
    Anschließend hatte er es mit einem Foliot probiert. Der Bursche verhielt sich zwar unauffällig, war dafür aber ein zwanghafter Lügner, der versuchte, jeden Befehl Nathanaels zu verdrehen und zu seinem Vorteil auszulegen. Nathanael war gezwungen gewesen, selbst die einfachsten Anweisungen in komplizierter Juristensprache auszudrücken, die der Foliot beim besten Willen nicht missverstehen konnte. Als er einmal eine Viertelstunde benötigte, seinem Diener zu befehlen, ihm ein Bad einzulassen, war Nathanaels Geduld erschöpft. Er verabreichte dem Foliot eine Tüchtige Tracht und jagte ihn ein für alle Mal weg.
    Es folgten mehrere Beschwörungen, in deren Verlauf Nathanael auf der Suche nach dem idealen Sklaven unerschrocken immer mächtigere Dämonen anrief. Zwar verfügte er über die nötige Willensstärke und das erforderliche Handwerkszeug, doch es fehlte ihm an Erfahrung, seine Wahl rechtzeitig richtig einzuschätzen. In einem der in weißes Leder gebundenen Bücher seiner Meisterin hatte er einen Dschinn namens Castor entdeckt, der zuletzt zur Zeit der italienischen Renaissance beschworen worden war. Dieser erschien auch pflichtschuldigst, gab sich höflich und tüchtig, und zudem waren seine vorzüglichen Manieren, wie Nathanael erfreut feststellte, mit denen der ungehobelten Kobolde von Nathanaels Bürokollegen nicht zu vergleichen. Dafür war Castor ausgesprochen stolz und leidenschaftlich.
    Eines Tages gab das persische Konsulat einen großen Empfang, was für jedermann die Gelegenheit war, mit seinen Dienern zu protzen und zugleich mit den eigenen Fähigkeiten zu renommieren. Anfangs lief alles gut. Castor hockte in Gestalt eines pausbäckigen Engelchens auf Nathanaels Schulter und hatte sich sogar die Mühe gemacht, sich ein farblich auf die Krawatte seines Herrn abgestimmtes Tuch um die Lenden zu schlingen. Doch seine geschmackvolle Erscheinung erregte das Missfallen der anderen Kobolde und sie zischten ihm im Vorbeifliegen Beleidigungen zu. Über eine solche Provokation konnte Castor nicht hinwegsehen. Wie ein Gummiball hüpfte er von Nathanaels Schulter, schnappte sich einen Schisch-Kebab-Spieß vom Büfett und schleuderte ihn, ohne vorher die Gemüsestückchen zu entfernen, wie einen Speer durch die Brust des frechsten Widersachers. In dem anschließenden Tumult stürzten sich etliche andere Kobolde auf ihn, und im Nu war die zweite Ebene ein Tohuwabohu aus um sich dreschenden Gliedmaßen, wild geschwungenem Silberbesteck und glotzäugigen Grimassen. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zauberer die Situation wieder im Griff hatten.
    Zum Glück hatte Nathanael Castor auf der Stelle entlassen, sodass trotz aller Nachforschungen nie zweifelsfrei geklärt werden konnte, wessen Dämon die Rauferei eigentlich angezettelt hatte. Nathanael hätte Castor liebend gern bestraft, doch es war zu riskant, ihn noch einmal zu beschwören. Seither beschränkte er sich wieder auf weniger anspruchsvolle Sklaven.
    Doch trotz unzähliger Versuche wies keins der Wesen, die er beschwor, die gewünschte Kombination aus Unternehmungsgeist, Macht und Gehorsam auf. Zu seiner eigenen Überraschung ertappte er sich nicht nur einmal dabei, wie er fast wehmütig an seinen ersten Diener zurückdachte…
    Aber er hatte nun mal beschlossen, Bartimäus nie wieder zu beschwören.
    In den Straßen rings um Whitehall drängten sich Horden vergnügungssüchtiger Gewöhnlicher, die zum Fluss hinunterschlenderten, wo abends die Schiffsparade mit anschließendem Feuerwerk stattfinden sollte. Nathanael verzog das Gesicht. Den ganzen Nachmittag über, während er am Schreibtisch sitzen musste, waren die Klänge von Blaskapellen und das Stimmengewirr der fröhlichen Menge durch das offene Fenster hereingedrungen und hatten ihn abgelenkt. Aber da es eine offiziell gebilligte Ablenkung war, konnte er nichts dagegen tun. Das Volk wurde am Gründertag ausdrücklich zum Feiern angehalten, die Zauberer dagegen, von denen nicht erwartet wurde, die Propaganda kritiklos zu schlucken, gingen wie an jedem anderen Tag zur Arbeit.
    Jetzt war Nathanael von einem Meer rosiger und glückstrahlender Gesichter umgeben. Die Gewöhnlichen

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