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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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verlustierten sich bereits seit Stunden an den Ständen mit kostenlosem Essen und Trinken, die überall in der Hauptstadt aufgebaut waren, und ergötzten sich an den Vorführungen, die ebenfalls gratis vom Unterhaltungsministerium ausgerichtet wurden. In jedem Park der Londoner Innenstadt gab es andere Sehenswürdigkeiten zu bestaunen: Stelzenläufer, Feuerschlucker aus dem Pandschab, reihenweise Käfige mit exotischen Tieren, manche sogar mit verdrießlich dreinblickenden Aufrührern, die bei den Feldzügen in Nordamerika in Gefangenschaft geraten waren. Dazu gab es aus dem ganzen Reich zusammengetragene Schätze zu bestaunen, obendrein Militäraufmärsche und Karussells und… und… und…
    Hier und da sah man Angehörige der Nachtpolizei, die ebenfalls redlich bemüht waren, sich der allgemeinen Ausgelassenheit anzupassen. Nathanael sah mehrere Beamte mit quietschrosa Zuckerwatte in der Hand, einer posierte sogar, die Zähne zu einem nicht sehr überzeugenden Lächeln gebleckt, neben einer älteren Dame, damit deren Ehemann einen Touristenschnappschuss machen konnte. Die Bevölkerung schien guter Dinge zu sein, was beruhigend war, demnach hatten die Vorfälle in der Piccadilly keine allzu große Verunsicherung hervorgerufen.
    Die Sonne stand immer noch hoch über der glitzernden Themse, als Nathanael die Westminster Bridge überquerte. Er blinzelte gen Himmel. Dank seiner Kontaktlinsen sah er zwischen den kreisenden Möwen Dämonen schweben, die aus der Vogelperspektive in der Menge nach möglichen Unruhestiftern suchten. Mit verbissenem Gesicht trat er wütend nach einer leeren Falafeltüte. Genau solche Tage suchte sich die Widerstandsbewegung gern für ihre Bravourstückchen aus: größtmögliche Öffentlichkeit, größtmögliche Bloßstellung der Regierung… Ging der Piccadilly-Anschlag etwa doch auf ihr Konto?
    Nein, mit dieser Theorie konnte er sich nicht anfreunden. Der Vorfall unterschied sich so deutlich von ihren üblichen Verbrechen, war von seinem ganzen Zuschnitt her entschieden brutaler und zerstörerischer. Und es war nicht das Werk von Menschen, ganz gleich was dieser Trottel Tallow glaubte.
    Am Südufer wandte er sich nach links, weg vom Gedränge, und betrat ein für die Allgemeinheit gesperrtes Wohnviertel. Unten am Kai dümpelten die Vergnügungsjachten der Zauberer unbewacht auf den Wellen. Miss Whitwells Feuersturm war mit Abstand die größte und schnittigste.
    Als er auf sein Wohnhaus zuging, hörte er es hupen und fuhr zusammen. Miss Whitwells Limousine parkte mit laufendem Motor am Bordstein. Der Chauffeur stierte stumpf vor sich hin, Nathanaels Meisterin schaute aus dem Fenster im Fond und winkte ihm.
    »Na endlich! Ich habe einen Kobold losgeschickt, aber du warst schon weg. Steig ein. Wir fahren nach Richmond.«
    »Der Premierminister…?«
    »Will uns unverzüglich sprechen. Beeil dich.«
    Nathanael setzte sich in Trab. Er hatte heftiges Herzklopfen. So plötzlich zu einer Unterredung beordert zu werden, verhieß nichts Gutes.
    Er hatte kaum die Tür zugeschlagen, da gab Miss Whitwell dem Chauffeur ein Zeichen. Der Wagen brauste los und Nathanael wurde unsanft gegen den Rücksitz geworfen. Er rappelte sich, so gut es ging, wieder hoch, wobei er den Blick seiner Meisterin auf sich spürte.
    »Du kannst dir vermutlich denken, was das zu bedeuten hat, oder?«, fragte sie frostig.
    »Ja, Madam. Geht es um den Vorfall auf der Piccadilly?«
    »In der Tat. Mr Devereaux möchte wissen, was wir zu unternehmen gedenken. Bitte beachte, dass ich ›wir‹ gesagt habe, John. Als Sicherheitsministerin bin ich auch für Innere Angelegenheiten zuständig und die Sache bringt auch mich ganz schön in Zugzwang. Meine Gegner werden versuchen, mir daraus einen Strick zu drehen. Wie soll ich mich in Bezug auf diese Katastrophe äußern? Hast du schon jemanden verhaften lassen?«
    Nathanael räusperte sich. »Nein, Madam.«
    »Wer steckt dahinter?«
    »Wir… wir sind noch nicht ganz sicher, Madam.«
    »Ach nein? Ich habe heute Nachmittag mit Mr Tallow gesprochen. Er hat die Tat eindeutig dem Widerstand zugeschrieben.«
    »Aha. Kommt…äh… kommt Mr Tallow auch nach Richmond, Madam?«
    »Nein. Ich nehme dich mit, weil Mr Devereaux dich gut leiden kann und sich das zu unserem Vorteil auswirken könnte. Mr Tallow ist da weniger geeignet. Ich persönlich finde, er ist ein eingebildeter Schwachkopf. Dem kann man nicht mal zutrauen, dass er seine Formeln fehlerfrei aufsagt, wie man an seiner Hautfarbe

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