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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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    »Es wird eine wichtige Sitzung«, verkündete sie, »und ich brauche dir wohl nicht zu erklären, wie du dich zu verhalten hast. Mr Duvall wird gnadenlos versuchen, uns vorzuführen. Für ihn sind die Vorfälle der vergangenen Nacht eine großartige Gelegenheit, sich zu profilieren. Im Gegenzug müssen wir beide ganz gelassen bleiben.«
    »Jawohl, Madam.«
    »Lass mich nicht hängen, John.«
    Sie klopfte an die Scheibe und ein Lakai stürzte herbei und riss den Wagenschlag auf. Seite an Seite schritten sie die flachen Sandstein-stufen empor und betraten das Vestibül des Hauses. Drinnen war die Musik lauter, umwaberte träge die schweren Wandteppiche und das orientalische Mobiliar, schwoll dann und wann an und ebbte wieder ab. Dem Klang nach mussten die Musiker ganz in der Nähe sein, doch es war niemand zu sehen, und Nathanael rechnete auch nicht damit, jemanden zu Gesicht zu bekommen. Schon bei früheren Besuchen in Richmond hatte eine ähnliche Musik gespielt; sie folgte einem auf Schritt und Tritt und untermalte unablässig die Schönheit des Hauses und des ganzen Anwesens.
    Ein anderer Lakai geleitete sie durch eine Flucht prächtig ausgestatteter Gemächer, bis sie durch einen hohen weißen Türbogen in einen weitläufigen, sonnendurchfluteten Raum traten, offenbar ein an das Haupthaus angebauter Wintergarten. Zu beiden Seiten erstreckten sich gepflegte, hübsch ordentlich mit dekorativen Rosenbüschen bepflanzte Hochbeete. Hier und dort harkten unsichtbare Hände die braune Erde.
    Die Luft im Wintergarten war warm und wurde nur von einem trägen Deckenventilator umgewälzt. Darunter hatten es sich der Premierminister und sein Hofstaat auf niedrigen Sofas und Diwanen bequem gemacht. Man nippte Kaffee aus weißen byzantinischen Tässchen und lauschte dem Wehklagen eines ungeheuer großen und dicken Mannes in weißem Anzug. Nathanaels Magen schlug einen Purzelbaum, als er ihn erkannte: Es war Sholto Pinn, dessen Verkaufsräume bei dem Anschlag irreparabel zerstört worden waren.
    »In meinen Augen ist dieses Verbrechen derart verabscheuungswürdig, dass man es kaum in Worte fassen kann!«, sagte Mr Pinn gerade. »Und ein dreister Affront obendrein! Ich habe schwerste Verluste erlitten…«
    Das Sofa gleich neben der Tür war noch leer. Miss Whitwell ließ sich darauf nieder und Nathanael tat es ihr nach kurzem Zögern gleich. Mit einem Blick überflog er die Anwesenden.
    Da war zunächst einmal Pinn. Normalerweise hegte Nathanael Argwohn und Abneigung gegen den Geschäftsmann, denn Pinn war seinerzeit ein intimer Freund des Verräters Lovelace gewesen. Man hatte ihm jedoch nichts nachweisen können und diesmal war zweifellos er das Opfer. Er fuhr polternd mit seiner Jammerrede fort: »…und befürchte, dass ich mich davon nicht mehr erhole. Meine wertvolle Sammlung unersetzlicher Antiquitäten ist hinüber. Das Einzige, was mir geblieben ist, ist ein Fayencegefäß mit irgendeiner wertlosen, eingetrockneten Pampe drin! Damit kann ich ja wohl kaum…«
    Rupert Devereaux selbst rekelte sich auf einem hochlehnigen Sofa. Er war mittelgroß und mittelschwer und früher einmal recht gut aussehend, hatte aber inzwischen dank der vielen und verschiedenartigen Genüsse, denen er sich hingab, an Wangen und Bauch ein wenig zugelegt. Während er Mr Pinn zuhörte, schwankte sein Gesichtsausdruck beständig zwischen Langeweile und Verärgerung.
    Henry Duvall, der Polizeichef, saß mit verschränkten Armen neben ihm, die graue Mütze auf den Knien. Er trug die unverwechselbare Uniform der Grauröcke, der Elitetruppe der Nachtpolizei, deren Befehlshaber er war: weißes Rüschenhemd, nebelgraues, frisch gebügeltes Jackett mit knallroten Knöpfen, dazu eine graue Hose, die in schwarzen Schaftstiefeln steckte. Blanke Messingepauletten krallten sich in seine Schulterpolster. In dieser Aufmachung wirkte seine ungeschlachte Gestalt noch massiger und kräftiger, als sie ohnehin schon war. Obwohl er nur stumm dasaß, beherrschte er den ganzen Raum.
    Noch drei andere Minister waren anwesend. Ein fad aussehender Mann mittleren Alters mit strähnigem blonden Haar betrachtete seine Fingernägel – das war Carl Mortensen vom Innenministerium. Neben ihm saß, demonstrativ gähnend, Helen Malbindi, die immer freundliche Informationsministerin. Der Außenminister, Marmeduke Fry, ein Mann von unersättlichem Appetit, tat nicht einmal so, als hörte er Mr Pinn zu, sondern war ganz davon in Anspruch genommen, bei einem ehrerbietigen

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