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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Ungeheuer! Der Affe!« Sie wollte aufspringen, aber ihre Arme waren an der Trage festgegurtet.
    »Nicht, meine Kleine. Bald geht’s dir wieder besser.«
    Sie ließ sich zurücksinken und lag still und verkrampft da. »Jakob…«
    »Dein Freund? Der ist auch hier.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Du musst dich jetzt ausruhen.«
    Ob es nun am Schaukeln des Krankenwagens oder an ihrer unendlichen Erschöpfung lag, sie war tatsächlich eingeschlafen und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht, als ihr mehrere Krankenschwestern die Kleider vom Leib schnitten. Der Stoff ihres T-Shirts und ihrer Shorts war auf der Vorderseite verkohlt und bröselig und trieb in Flocken durch die Luft wie verbrannte Zeitungsfetzen. Nachdem man ihr schließlich ein dünnes weißes Hemdchen übergestreift hatte, stand sie ein Weilchen im Mittelpunkt: Ärzte umschwärmten sie wie Wespen ein Marmeladenglas, maßen ihren Puls, ihre Atmung und ihre Temperatur. Dann waren sie plötzlich wieder verschwunden und Kitty lag einsam und verlassen im leeren Krankenzimmer.
    Es dauerte lange, bis wieder eine Schwester vorbeischaute. »Wir haben deine Eltern benachrichtigt«, verkündete sie. »Sie kommen dich abholen.« Kitty sah die Frau verständnislos an. Diese zögerte. »Dir geht es wieder gut«, sagte sie endlich. »Die Schwarze Schleuder hat dich offenbar nicht richtig erwischt und du hast nur die Ausläufer zu spüren bekommen. Du hast großes Glück gehabt.«
    Kitty musste diese Auskunft erst verdauen. »Dann geht es Jakob auch wieder gut?«
    »Er ist leider nicht so glimpflich davongekommen.«
    Kitty geriet in Panik. »Was meinen Sie damit? Wo ist er?«
    »Ganz in der Nähe. Wir kümmern uns um ihn.«
    Kitty brach in Tränen aus. »Aber er stand doch direkt neben mir! Da kann ihm doch nichts passiert sein!«
    »Ich bring dir was zu essen, Kleines. Dann fühlst du dich gleich besser. Warum liest du nicht ein bisschen, das lenkt dich ab. Auf dem Tisch liegen Zeitschriften.«
    Kitty hatte keine Lust auf Zeitschriften. Kaum war die Schwester draußen, schob sie sich von der Bettkante, bis sie mit wackligen Knien auf dem kalten Holzfußboden stand. Dann setzte sie zunehmend mutiger einen Fuß vor den anderen und tappte durch das stille Krankenzimmer mit den hellen Sonnenflecken vor den hohen Bogenfenstern, bis sie draußen im Gang stand.
    Die Tür gegenüber war geschlossen, vor die Verglasung ein Vorhang gezogen. Kitty sah sich rasch um, dann huschte sie wie ein Gespenst hinüber und legte die Hand auf die Klinke. Sie lauschte, aber aus dem Zimmer war kein Laut zu hören. Kitty drückte die Klinke herunter und trat ein.
    Es war ein geräumiges, helles Einzelzimmer mit einem großen Fenster, durch das man auf die Dächer von Südlondon blickte. Die Sonne warf einen gelben Streifen auf das Bett und teilte es säuberlich in zwei Hälften. Die obere Hälfte mit dem Oberkörper eines Schlafenden lag im Schatten.
    Es roch intensiv nach Krankenhaus, nach Medikamenten, Jod und Desinfektionsmittel. Aber Kitty nahm noch einen anderen Geruch wahr. Den Geruch von Verbranntem.
    Sie zog die Tür hinter sich zu und schlich auf Zehenspitzen zum Bett. Als sie Jakob sah, stiegen ihr die Tränen in die Augen.
    Zuerst war sie einfach nur wütend auf die Ärzte, weil sie ihm die Haare abrasiert hatten. Warum mussten sie ihm eine Glatze schneiden? Es würde ewig dauern, bis die langen schwarzen Locken wieder nachgewachsen waren, Mrs Hyrneks ganzer Stolz. Er sah ganz fremd aus, vor allem mit diesen komischen Schatten im Gesicht… Dann erst begriff sie, was es mit den Schatten auf sich hatte.
    Dort wo ihn sein Haar geschützt hatte, war Jakobs Haut wie immer leicht gebräunt. Überall sonst, von den Schlüsselbeinen bis zu den abrasierten Haaren, war sie mit unregelmäßigen senkrechten, welligen Streifen versengt oder verschmiert, schwarz und grau wie Asche oder Holzkohle. Im ganzen Gesicht war kein Fleckchen Haut unversehrt, außer an den Stellen, wo die beiden Augenbrauen gesessen hatten. Die hatte man ebenfalls abrasiert, weshalb dort zwei kleine rosa Halbmonde waren. Doch auch die Lippen, die Lider und Ohrläppchen waren verfärbt. Sein Gesicht sah unnatürlich aus, ähnelte eher einer exotischen Maske oder einer Larve für einen Karnevalsumzug.
    Unter der Bettdecke hob und senkte sich seine Brust stockend. Beim Atmen machte er ein leises, pfeifendes Geräusch.
    Kitty berührte seine Hand, die auf der Decke lag. Die Handflächen, mit denen er versucht hatte, den Rauch

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