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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Schätzchen, und du solltest dir das auch noch mal überlegen. Deine Eltern sind dagegen und sie haben ganz Recht. Es wäre unklug.«
    »Aber wir müssen hin, wenn wir erklären wollen, was wirklich…«
    Mrs Hyrnek langte über den Tisch und legte ihre große rosige Hand auf Kittys. »Was glaubst du wohl, was mit Hyrnek und Söhne passiert, wenn Jakob Klage gegen einen Zauberer erhebt? Na, was wohl? Mr Hyrnek würde innerhalb von vierundzwanzig Stunden alles verlieren. Sie würden uns den Laden dichtmachen oder ihre Geschäfte ab sofort mit Jaroslav oder einem anderen Konkurrenten tätigen. Abgesehen davon…« Sie lächelte traurig. »Warum sich die Mühe machen? Wir hätten sowieso keine Aussicht, den Fall zu gewinnen.«
    Erst verschlug es Kitty die Sprache. »Aber man hat mich aufgefordert, vor Gericht zu erscheinen«, wandte sie dann ein, »und Jakob auch.«
    Mrs Hyrnek zuckte die Achseln. »Solchen Aufforderungen muss man nicht unbedingt Folge leisten. Die Behörden sind froh, wenn man sie mit solchem Kleinkram verschont. Zwei minderjährige Gewöhnliche? Mit so was verplempern sie ungern ihre kostbare Zeit. Hör auf mich, Schätzchen. Geh nicht vor Gericht. Das nimmt kein gutes Ende.«
    Kitty starrte auf die verschrammte Tischplatte. »Aber das bedeutet, dass er… Mr Tallow… ungestraft davonkommt… einfach so«, sagte sie leise. »Das kann ich nicht… das wäre nicht gerecht!«
    Da erhob sich Mrs Hyrnek so abrupt, dass ihr Stuhl quietschend über die Fliesen schrammte. »Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, Mädchen«, sagte sie, »sondern mit gesundem Menschenverstand. Und außerdem«, sie ergriff eine Schüssel mit klein geschnittenem Kohl und ging damit zum Herd, »…ist noch nicht raus, ob Mr Tallow wirklich so ungestraft davonkommt, wie du befürchtest.« Geschickt kippte sie den Kohl in einen großen Topf mit kochendem Wasser, dass es nur so zischte und brodelte. Jakobs Großmutter saß daneben, grinste und nickte wie ein Troll hinter der Dampfwolke und rührte unablässig mit ihrer knochigen, knotigen Hand die Suppe um.

13
    Es folgten drei Wochen, in denen sich Kitty mit einer Mischung aus Trotz und Stolz allen Bemühungen widersetzte, sie von ihrem einmal gefassten Entschluss abzubringen. Je mehr ihr die Eltern drohten oder schmeichelten, desto halsstarriger wurde sie. Sie beharrte darauf, an besagtem Tag vor Gericht zu erscheinen und dafür zu sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.
    Die Nachrichten über Jakobs Zustand bestärkten sie noch in diesem Vorsatz. Er musste weiterhin im Krankenhaus bleiben, war zwar bei Bewusstsein und geistig klar, konnte aber nichts sehen. Seine Familie hoffte, dass sein Augenlicht im Lauf der Zeit zurückkehren würde. Beim Gedanken an das Gegenteil bebte Kitty vor Kummer und Zorn.
    Wäre es nach Kittys Eltern gegangen, hätten sie die Ladung schon bei der Zustellung abgelehnt. Aber Kitty war die Klägerin, deshalb war ihre Unterschrift erforderlich, um die Klage zurückzuziehen, und dazu war sie nicht bereit. Das Verfahren nahm seinen Lauf und am betreffenden Tag erschien Kitty in ihrer schicksten Jacke und besten Wildlederhose Punkt halb neun am Haupttor des Gerichtsgebäudes. Ihre Eltern kamen nicht mit. Sie hatten sich geweigert, sie zu begleiten.
    Sie war von einem bunten Völkchen umringt, das schubste und rempelte und ungeduldig darauf wartete, dass das Tor geöffnet wurde. Alle gesellschaftlichen Schichten waren vertreten, angefangen bei ein paar Gassenkindern, die sich durch das Gewühl drängelten und von Bauchläden warmes Gebäck und Pasteten verkauften. Wenn sie in Kittys Nähe kamen, hielt sie ihre Umhängetasche gut fest. Sie entdeckte auch etliche Handwerker, einfache Leute wie sie selbst, in ihren besten Anzügen und mit blassen, angespannten Gesichtern. Die weitaus größte Gruppe jedoch bestand aus sorgenvoll dreinschauenden Zauberern, die in ihren eleganten Piccadilly-Anzügen oder traditionellen Umhängen und langen Gewändern sofort ins Auge fielen. Kitty hielt nach Mr Tallow Ausschau, entdeckte ihn aber nirgends. Am Rand der Menge standen kräftige Nachtpolizisten und passten auf.
    Die Torflügel schwangen auf, jemand blies in eine Trillerpfeife und die Menge strömte hinein.
    Jeder Besucher wurde an einem Beamten in rot-goldener Uniform vorbeigeschleust. Kitty nannte ihren Namen und der Mann schaute auf einen Zettel.
    »Sitzungssaal siebenundzwanzig«, sagte er. »Linker Aufgang, oben ganz rechts halten, vierte Tür. Dort

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